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Nechama Leibowitz

Studien zu den wöchentlichen Tora-Vorlesungen

„Nechama” (nur mit Vornamen wollte sie schlicht genannt werden) Leibowitz ist wohl die prominenteste jüdische Bibelpädagogin unserer Generation. Nechama wurde 1905 in Riga geboren. Ihr Bruder war der berühmte Jeschajahu Leibowitz s. A. Von 1930–1955 unterrichtete Nechama Tenach am Misrachi Lehrerinnen-Seminar in Jerusalem. Die Universität Tel Aviv verlieh ihr 1968 die Professur. Seit 1959 brachte sie im Lauf von 30 Jahren regelmäßig Erklärungen zu den Tora-Wochenabschnitten (Paraschat Ha’schavua) heraus und versandte sie eigenhändig an Studenten, Laien und Bibelforscher in Israel und weltweit. Diese Studien wurden in viele Sprachen übersetzt und in Israel in mehreren hebräischen und englischen Auflagen veröffentlicht. Das Thema ihrer 1931 in Marburg erschienenen Dissertation lautete: Die Übersetzungsmethoden der Psalmen in den jüdisch-deutschen Übersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts. 1957 wurde ihr vom Staat Israel der Israel-Preis für Erziehung verliehen. Sie widmete ihr gesamtes Leben dem Studium und der Verbreitung ihrer Lehrmethode, bis sie 1997 hoch angesehen verstarb. Ihre zahlreichen Schüler erinnern sich an die persönliche Wärme und den inneren Charme ihrer bescheidenen, stets einfach gekleideten Persönlichkeit.

Nechamas didaktische Lehrmethode war einzigartig. Ihre Studienblätter basierten auf dem pädagogischen „Fragen-und-Antworten“-Prinzip. Anfragen der Empfänger ihrer „Ijunim“ beantwortete sie stets persönlich. Ihre Forderung, daß die Lernenden sich mit der Schrift und ihren Kommentaren persönlich auseinandersetzen, bildete die Grundlage ihrer Methode. Nechama stellte zwar ihren Schülern eine große Auswahl traditioneller Schriftauslegungen vor, aber – und darin liegt ihre Einzigartigkeit – sie wollte nicht, daß sie die Kommentare „passiv“ lernen, sondern daß sie sich durch gemeinsame Diskussionen mit der Bedeutung der jeweiligen Texte auseinandersetzen. Weit verbreitet ist ihr Ausspruch, „man solle nicht fra- FrRu NF 2/2007 133 Das besondere Buch gen, was Raschi zu einem Bibeltext sage, sondern was ihm schwerfalle, welche Grundlagen seine Ausführungen in der Schrift haben und welche grundsätzliche Bedeutung seiner Auslegung zukomme“ (13).

„Mein Ziel ist es, daß Ihr diese Psalmen nicht als Dokumente einer vergangenen Zeit lest, sondern als ein Gedicht, das über die Grenzen der Zeit hinaus besteht. Das ‚Ich’, das in diesen Kapiteln spricht, ist nicht das ‚Ich’ von König David, von Assaf oder von den Söhnen Korachs – das ‚Ich’, das spricht, weint, jubelt, fleht und dem Herrn dankt, ist das ‚Ich’ des Lesers im Moment des Studiums des Psalms!“

Prof. Efraim E. Urbach von der Hebräischen Universität schlug ihr schon vor mehr als 40 Jahren vor, einen leicht verständlichen Kommentar zum Tenach zu verfassen. Sie wies jedoch diesen Vorschlag ab, da dies ganz und gar nicht ihre Absicht war, denn der Lernende solle durch Selbststudium der Schrift und ihrer Auslegungen selbst entscheiden, welche Interpretation ihm angemessen erscheine. Die Renaissance, welche in den letzten zwei Jahrzehnten das moderne jüdisch-religiöse Bibelstudium in Israel und in der Diaspora – insbesondere unter Frauen – geprägt hat, ist vielfach dem segensreichen Wirken Nechamas zu verdanken.

Die 104 Texte der vorliegenden Anthologie – jeweils zwei für die 52 Wochenabschnitte – wurden vom Leiter der Jüdischen Hochschule in Heidelberg, Alfred Bodenheimer, übersetzt. Sie erschienen erstmals in der Baseler „Jüdischen Rundschau“. Daß diese Auswahl aus Nechamas monumentalem Opus nunmehr dem deutschsprachigen Publikum in Buchform zugänglich ist, verdanken wir Gabriel H. Cohn, langjähriger Dozent für Tenach an der Bar-Ilan Universität und emeritierter Leiter des religiösen Lehrerseminars Machon Gold in Jerusalem. Als treuer Schüler Nechamas hat er nicht nur ein lesenswertes Vorwort geschrieben („Wie lieb ich Deine Lehre“), sondern auch Kurzbiographien der im Text erwähnten klassischen und modernen Kommentatoren zusammengestellt. Das aufschlußreiche Quellenverzeichnis wurde von Emanuel Cohn verfaßt. Diese erste Ausgabe einer deutschen Übersetzung der Tora-Studien von Nechama Leibowitz eignet sich vorzüglich, den stets größer werdenden Kreisen christlicher Theologen und Laien, die sich intensiv mit jüdischer Exegese befassen, eine Einführung in die Geisteswelt und Lernmethode der bedeutendsten Bibelpädagogin Israels zu gewähren. Weitmöglichste Verbreitung ist diesem Werk zu wünschen.


Jahrgang 14 / 2007 Heft 2 Seite 133



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