Anwalt des Rechts
Geschrieben für ein breiteres Publikum, ist es die Absicht dieses Buches von Wolfgang Knauft, der schon mehrere Publikationen zum Thema "Kirche und Nationalsozialismus" vorlegte, die Gestalt des Bischofs und Kardinals Konrad von Preysing (1880–1950) nahezubringen. Nach knappen Ausführungen zur Forschungs- und Bearbeitungslage, der Jugend des bayerischen Adeligen und den ersten Karriereschritten des ursprünglichen Juristen in der Münchner Katholischen Kirche, ist der Schwerpunkt des Buches Preysings Zeit als Bischof von Eichstätt (1932–1935) und von Berlin (1935–1950) und seiner kirchenpolitischen Tätigkeit in den Jahren 1933 bis 1945.
In diesem Kontext sind zentrale Themen bearbeitet, welche die Positionen Preysings innerhalb des Konzertes der deutschen Bischöfe in der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Herrschaft vorlegen. Dazu gehörte vor allem seine abweichende Meinung gegenüber dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Adolf Bertram, bezüglich der Politik gegenüber den Herrschern des Dritten Reiches. Nicht Bertrams diplomatische Eingabepolitik an Ministerien, die nach außen unsichtbar blieb, war Preysings Linie, sondern spätestens seit dem Erscheinen der Enzyklika "Mit brennender Sorge" (1937) wollte der Berliner Bischof die Mobilisierung der Öffentlichkeit und ein offensives Vorgehen.
Die unterschiedlichen Positionen manifestierten sich fokussiert, als Bertram 1940 Hitler zu dessen 51. Geburtstag ein devotes Glückwunschschreiben schickte. Dies veranlaßte Preysing, das Pressereferat der Bischofskonferenz niederzulegen. Auf derselben Ebene lehnte er die Kirchenpolitik des Berliner Nuntius Cesare Orsenigo ab. Die Mitarbeit im Ordensausschuß der Bischofskonferenz, dessen Kurs wesentlich der Jesuit Augustinus Rösch (1893–1961) bestimmte (vgl. dazu Antonia Leugers, "Gegen eine Mauer bischöflichen Schweigens. Der Ausschuß für Ordensangelegenheiten und seine Widerstandskonzeption 1941 bis 1945", Frankfurt 1996), besaß eine ähnliche Perspektive. Offene und kämpferische Worte, die vor allem mit dem Kommunikationsmittel der Hirtenbriefe einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt werden sollten, waren gewünscht, Teilerfolge wie der Dekaloghirtenbrief von 1943, der allerdings gegen die Intention des Ausschusses entschärft war, zu verzeichnen.
Ein weiteres Mittel der Kommunikation und Mobilisierung von Meinung stellten die Predigten dar, so zur Euthanasie im November 1941, nachdem sich Preysings Vetter Bischof Clemens August von Galen in Münster bereits im August dazu geäußert hatte. Preysing, der Kontakte zum Kreisauer Kreis, besonders zu Helmuth James von Moltke, besaß, in dessen Bistum seit 1938 das Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin für verfolgte Juden (im wesentlichen auf Getaufte ausgerichtet, wobei die seit 1941 als Geschäftsführerin fungierende Margarete Sommer mit Gertrud Luckner zusammenarbeitete) bestand und zu dessen Klerus der mutige Dompropst Bernhard Lichtenberg gehörte, versuchte mehrfach, die Hilfe zu intensivieren. Am 17. Januar 1941 und am 6. März 1943 bat er Pius XII., den er aus dessen Münchener Nuntiaturzeit kannte, offen zur Judenvernichtung, die man seit 1942 in Rom kennen konnte, Stellung zu nehmen; beide Male vergeblich.
Vieles, was das Buch bringt, ist nicht unbekannt. Das gilt auch für das Thema Judenverfolgung und Judenhilfe. Es ist mit deutlicher Sympathie für sein Objekt geschrieben, enthält aber auch kritische Anfragen, etwa zum Fehlen eines öffentlichen Protestes der Bischöfe gegen die Judenvernichtung (169 f.). Knauft bietet uns Einblicke in die Tätigkeit eines Bischofs, der auf Grund seiner Position in der Reichshauptstadt wie kein anderer die Schaltstellen der Macht vor sich hatte, in der Bischofskonferenz der Repräsentant einer härteren Gangart gegenüber dem Nationalsozialismus darstellte und dessen Wirken einen wichtigen Bestandteil des Verhältnisses von Kirche und Nationalsozialismus vermittelt.
Heribert Smolinsky, Freiburg
Jahrgang 9 / 2002 Heft 2 S. 143−145