Diese zwei Bücher, die Mimi Levy Lipis kurz hintereinander veröffentlicht hat, kann man zwar separat studieren, aber es ist nicht zu übersehen, dass sie einander ergänzen. Um das Gemeinsame hervorzuheben: in beiden Bänden finden wir zahlreiche Farb- bzw. Schwarz-Weiß-Fotos von Sukkot, den Laubhütten, die Juden in Erfüllung eines biblischen Gebotes jedes Jahr im Herbst bauen, um darin ihre Mahlzeiten einzunehmen oder sogar darin zu schlafen.
„Home is Anywhere“
Die Autorin spricht von ihrer fotografischen Feldarbeit; sie hat von 2004 bis 2009 in Berlin, Paris, London, Boston, New York, Atlanta und in Israel Laubhütten von außen fotografiert. Die vorliegende Bildersammlung ist in der Tat sehenswert und auch sehr instruktiv. Vorwort und Nachwort des Fotobands „Home is Anywhere“ fassen die Ergebnisse des Laubhütten- Forschungsprojektes zusammen. In größerer Ausführlichkeit sind ihre Untersuchungen im zweiten Buch dargestellt.
Levy Lipis betrachtet den Bau der Sukka (Laubhütte) als eine besondere Architekturform und zeigt auf, wie erfindungsreich diejenigen waren, die eine Laubhütte nach den Regeln des Religionsgesetzes errichten wollten. Die Autorin arbeitet heraus, dass eine Laubhütte mehrere Sachverhalte zugleich symbolisiert: Die jedes Jahr neu gebaute Hütte erinnert an die Wanderung des jüdischen Volkes in der Wüste nach seiner Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten, an Gottes schützende Gegenwart und außerdem an die Zugehörigkeit zum Volk Israel.
Symbolic Houses in Judaism
In „Symbolic Houses in Judaism“ ist nicht nur von Sukkot die Rede. Levy Lipis zeigt anhand von besonders gestalteten Hochzeitsringen und anhand von diversen Ritualobjekten, dass symbolische Häuser früher in mehreren Bereichen jüdischen Lebens eine Rolle spielten (und teilweise heute immer noch spielen). Ihre These lautet, dass die symbolischen Häuser in der Diaspora an den Tempel in Jerusalem und an den Bund zwischen dem Ewigen und dem jüdischen Volk erinnern sollen.
Levy Lipis hat beeindruckend viele Sachbücher aus verschiedenen Gebieten gelesen; ihr Literaturverzeichnis ist 20 Seiten lang. Sie geht en passant auf eine Fülle von Themen ein, die hier aus Platzgründen nicht aufgelistet werden sollen. An dieser Stelle seien lediglich zwei Randbemerkungen notiert. Levy Lipis hält Stammvater Abraham vor, er habe eine Halbschwester geheiratet, obwohl die Tora (Lev 18,9) eine solche Ehe ausdrücklich verbietet. Ihre Kritik geht von einer falschen Voraussetzung aus: Sarah war in Wirklichkeit Abrahams Nichte, nicht seine Halbschwester (siehe Raschis Kommentar zu Genesis 11,29 und die Ausführungen von Rabbiner J. H. Hertz zu Gen 20,12). Ferner irrt Levy Lipis, wenn sie Israel als den Sohn Jakobs bezeichnet; tatsächlich handelt es sich um ein und dieselbe Person (siehe Gen 32,29). Solche Flüchtigkeitsfehler mindern natürlich nicht den Wert einer originellen, materialreichen wissenschaftlichen Studie. Die vielen schönen Illustrationen symbolischer Häuser unterschiedlicher Art sollen hier nicht unerwähnt bleiben.
Yizhak Ahren, Jerusalem
Jahrgang 19 / 2012 Heft 3 S. 225−226