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Franz-Josef Schmitt

Joseph Feiner – Ein jüdischer Lehrer aus Wittlich

Stationen eines bewegten Lehrerlebens

Das Buch über Joseph Feiner greift eine Thematik auf, die nicht hinreichend erschlossen ist. Während der Geschichte des nichtjüdischen Schulsystems im Regierungsbezirk Trier und in der Stadt Trier umfangreiche Werke gewidmet sind, fehlte eine vergleichbare veröffentlichte Arbeit über die jüdische Schule der Region Trier und über die sie prägenden Lehrerpersönlichkeiten. Zum größten Teil sind ihre Namen nicht einmal bekannt. Dies wird sich erst ändern, wenn die nahezu fertiggestellte Arbeit eines anderen Autors veröffentlicht ist.

Franz-Josef Schmitts Buch stellt auf diesem Hintergrund einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der jüdischen Schulgeschichte dar. Zwar ist Joseph Feiner nicht als Lehrer in der Region Trier tätig, aber über sein Wirken im deutschen jüdischen Lehrerverband und als Schriftsteller von pädagogischen Artikeln und Büchern hat er die jüdische Schulgeschichte der Region beeinflusst. Andererseits ermöglicht das Kapitel über die Kindheitsund Jugendjahre Joseph Feiners in Wittlich einen Blick in die regionale Schulgeschichte.

Schmitt ist es aufgrund umfangreicher Recherchen in Archiven verschiedener Institutionen sehr gut gelungen, den Werdegang von Joseph Feiner aus handwerklichen Verhältnissen in Wittlich über seine Schulbildung in seiner Heimatstadt, seine Lehrerausbildung in Münster, seine Lehrtätigkeit in Sonsbeck und Finsterwalde bis zu seiner zentralen Wirkungsstätte in Hamburg darzustellen. Sein Lebensweg erschließt sich als ein Aufstieg zu Höherem, motiviert vom Willen, seine Erkenntnisse stetig zu erweitern. Davon geben seine pädagogischen und geisteswissenschaftlichen Werke ein beredtes Beispiel. Besonders als Vorsitzender des „Verbandes der jüdischen Lehrervereine im Deutschen Reiche“ hat der Radius seines die jüdische Schule gestaltenden Einflusses die größte Ausdehnung erfahren.

Joseph Feiner begleitet die jüdischen Lehrer über sehr unterschiedliche Phasen der deutschen Geschichte, die einerseits von staatlich verordneten Schulinspektoren in Form von christlichen Geistlichen bis zur Eigenständigkeit der jüdischen Religion nach der Weimarer Reichsverfassung reichte, andererseits von der staatlichen Anerkennung ebenso bestimmt war wie vom neu entfachten Antisemitismus, der sich in der Weimarer Zeit, völkisch vereinnahmt, immer mehr zu einer Existenzfrage der Juden in Deutschland entwickelte und im Nazi-Deutschland zunächst zur Ausgrenzung und später zur Ermordung der Juden führte.

Franz-Josef Schmitt zeigt in seiner Biografie über Joseph Feiner einen jüdischen Bürger, der die schulisch-institutionellen Veränderungen feinsinnig wahrnimmt und darauf bezogen Antworten gibt. Joseph Feiners geistige Grundlagen basieren auf den Ideen der Aufklärung, wie sein Buch von 1919 über die europäische Aufklärung nahe legt, und auf den Idealen der Klassik Goethe’scher Prägung. Seine Ratschläge appellieren an die Vernunft des Menschen; sie geraten zu einer Zeit an Grenzen, als an Stelle der Werte des Verstandes nationalsozialistische voluntaristische Ziele propagiert wurden, die die traditionelle Rechtsauffassung aushöhlten, die Verantwortung des Einzelnen durch Gehorsam dem Führer gegenüber ersetzten, sodass Menschlichkeit ein Fremdwort wurde.

Franz-Josef Schmitt stellt die Person von Joseph Feiner chronologisch vor. Dabei stehen die berufliche Arbeit und der intellektuelle Werdegang im Vordergrund. Über den privaten Menschen Joseph Feiner wird der Leser in den Kapiteln 1, 2, 8 und 20 informiert. Auf 110 Seiten werden die Forschungsergebnisse im engeren Sinne dargestellt. Auf ca. 50 Seiten dokumentiert er die akribischer Recherche zu verdankenden vier Reden, die Joseph Feiner in der Loge „Zur Bruderkette“ gehalten hatte. Im Anhang finden sich die Anmerkungen zum Textteil, bibliografische Angaben zu den verwendeten Werken und anderen Quellen, ein kurzgefasster Lebenslauf von Joseph Feiner, genealogische Informationen zur Familie Feiner sowie kurzgefasste Biografien der Personen, die für das Verständnis des wissenschaftlichen Werkes hilfreich sind. Das gelungene Layout dieses Buches korrespondiert mit den Illustrationen des Textes durch Fotos, Druckfassungen von Buchtiteln, Briefen und anderen grafischen Elementen, die es dem Leser erleichtern, sich in die Thematik hineinzuversetzen. Ihn erwartet eine realistische Sicht der Lehrerpersönlichkeit, die selbst dramatische Einzelheiten nicht verschweigt. Franz-Josef Schmitt hat mit diesem Werk ein Fenster in eine kaum bekannte Welt des mit der deutschen Geisteskultur eng verbundenen Judentums geöffnet.

Willi Körtels, Trier


Jahrgang 19 / 2012 Heft 3 S. 226−228

 



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