Lehrhaus und Synagoge in drei Jahrhunderten
Der Herausgeber hat sich schon seit vielen Jahren mit den Juden in Mannheim sorgfältig befasst. Nun liegt die Summe dreißigjähriger Forschungen in einem sehr schönen, gediegenen und mit historischen und zeitgenössischen Bildern reich versehenen Band vor, den der Verlag liebevoll betreut hat.
Die Mannheimer Klaus ist eine Stiftung des wohl reichsten Juden Mannheims, des kurpfälzischen Hoffaktors Lemle Moses Rheinganum, der 1724 kinderlos verstorben ist. In der Klaus haben sich eine Anzahl Rabbiner sowie fortgeschrittene und junge Schüler buchstäblich Tag und Nacht mit der Heiligen Schrift und der Traditionsliteratur beschäftigt. Im 19. Jh. entwickelte sich daraus eine Gemeinde. Die in der liberalen Stadt dominant werdende religiöse Reform, die eine große Synagoge gebaut hatte, überließ den orthodoxen Mitgliedern die Klaus.
In ihr und den Einrichtungen, die sie mit der Zeit umgaben, entfaltete sich ein reiches geistiges und gesellschaftliches Leben. Anders als in anderen Städten konnte so die Einheit der Gemeinde erhalten bleiben. Die zweimal neu erbaute Synagoge hat vom Wandel der Gemeinde wie von den Veränderungen der allgemeinen Ästhetik gezeugt. Ihr Inneres ist in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 demoliert worden; Bomben haben den ganzen Block so stark zerstört, dass der Rest nach dem Krieg beseitigt werden musste. Der Ort (F 1,11) ist heute nicht wieder zu erkennen. In Mannheim lebt nur noch ein Neunzigjähriger als ehemaliges Mitglied der Klaus, doch es gibt weltweit noch einige Nachfahren, die direkt oder indirekt von dieser einstigen Welt geprägt sind.
Die hier veröffentlichten Texte sind teils original, teils aus dem Hebräischen oder Englischen übersetzt. Die zwei letzten Rabbiner der Klaus, Dr. Isak (sic!) Unna (bis 1935) und Dr. Chaim Lauer ([Anm. d. Red.: der Vater des Rezensenten] bis 1938), und ihr Wirken werden in besonderer Weise lebendig. Listen der in der Klaus tätigen Rabbiner, Direktoren und Kantoren sowie ein Literaturverzeichnis und ein Glossar ergänzen das Buch, das weit über Mannheim und seine verstreuten Söhne und Töchter hinaus ein Publikum zu fesseln vermag, das sich für eine Kultur interessiert, die trotz ihrer physischen Zerstörung weiterhin erhaltenswert ist.
Simon Lauer, Zürich
Jahrgang 20 / 2013 Heft 2, S. 143