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Katharina Stegelmann

Bleib immer ein Mensch

Heinz Drossel. Ein stiller Held 1916–2008

Heinz Drossel wurde im Jahr 2000 in Yad Vashem zusammen mit seinen Eltern als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt, weil er während des Naziregimes Juden rettete. Die „Spiegel“-Redakteurin Katharina Stegelmann beschreibt nicht nur seine Lebensgeschichte, die 1916 in Berlin begann, sondern auch die seiner jüdischen Frau Marianne, deren Leben er rettete. Sie zeigt, wie eine christliche und eine jüdische Familie die historischen Ereignisse in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges erlebten und erlitten. Die „schicksalshafte Begegnung“ auf der Jungfernbrücke in Berlin im November 1942 bildet dabei den Dreh- und Angelpunkt. Der Wehrmachtsoffizier auf Heimaturlaub sieht eine verzweifelte Frau, die sich allem Anschein nach in die Spree stürzen will. Er erkennt in ihr eine Jüdin und hilft. Nach dem Krieg begegnen sie einander wieder und heiraten.

Stegelmann gelingt es, ihrer beider Geschichten exzellent zu erzählen und sie in die politischen Zusammenhänge zu stellen: Hitlers Machtergreifung, Rassengesetze, Reichspogromnacht, Kriegsbeginn, Stalingrad, Invasion der Alliierten, Kriegsende, Kalter Krieg, Berliner Luftbrücke, Mauerbau, Entnazifizierung, Opferentschädigung. An Mariannes Geschichte wird deutlich, wie schwer sich die überlebenden Juden in Deutschland taten, nach Kriegsende zum Leben zurückzufinden. Drossels Geschichte zeigt, dass es trotz allem möglich war, von den Grausamkeiten zu wissen und im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas dagegen zu tun. Heinz Drossel wird als „stiller Held“ bezeichnet. Seine Taten waren keine Sensationen, sondern einfach nur Ausdruck seiner Menschlichkeit und Zivilcourage, die er von seinen Eltern vermittelt bekam und die er auch als Wehrmachtsoffizier nicht vergaß. Nach seiner Pensionierung als Sozialgerichtspräsident in Freiburg versuchte er diese ganz normale und stille Menschlichkeit durch das Erzählen seiner Geschichte in verschiedenen Schulen zu vermitteln.

Stegelmann dokumentiert das Leben dieses stillen Helden und bewahrt es vor dem Vergessen. Drossels Leben wird nicht glorifiziert, aber gerade diese Normalität des Guten setzt ein Zeichen für jeden, genauso zu handeln und Mensch zu bleiben. Die Autorin hält sich damit an das Anliegen der Tochter Ruth Drossel, die dies in einem Brief, der als Anhang dokumentiert ist, folgendermaßen formuliert: „‚Helden’ im menschlichen ebenso wie im militärischen Sinn erleben gerne eine Art Verherrlichung ihrer Taten, die sie in den Augen anderer im wahrsten Sinne des Wortes ‚unnachahmlich’ machen. Bei- des halte ich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, für fatal. Dieser Entwicklung zum Heldenhaften wollte ich in meiner kleinen Gedenkrede am 27.06.2008 ein wenig Einhalt gebieten, als ich sagte: ‚Heinz Drossel war ein ganz normaler Mensch mit Betonung auf normal.’“– An Stegelmanns Biografie ist also wahrlich nichts auszusetzen, allein im Untertitel wäre es wünschenswert gewesen, auch den Namen Mariannes als „stille Heldin“ zu erwähnen.

Herbert Winklehner OSFS, Eichstätt


Jahrgang 20 /2013 Heft 4 S. 312 f.

 



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