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Thoma, Clemens, Günter Stemberger, Johann Maier (Hg.)

Judentum — Ausblicke und Einsichten

Das besondere Buch

Festgabe für Kurt Schubert zum siebzigsten Geburtstag. (Judentum und Umwelt Bd. 43.) Peter Lang, Frankfurt am Main 1993. 334 Seiten.

Kurt Schubert gehört zu den „grand old men“ europäischer Judaistik unserer Zeit. Sowohl seine Forschungen als auch die wissenschaftlichen Anregungen und Impulse, die von ihm ausgehen, verleihen seiner Person wie auch seinem Wirken besondere Bedeutung. Die 14 Beiträge dieses Bandes sind ebenso weit gespannt wie die Interessengebiete Professor Schuberts.

Eine konzise Würdigung des Jubilars durch Clemens Thoma leitet diese mit einer umfangreichen Bibliographie ausgestattete Festschrift ein. G. Baumbach widmet seine Studie den „schriftstellerischen Tendenzen und der historischen Verwertbarkeit der Essener-Darstellung des Josephus“. Baumbach bejaht die historische Zuverlässigkeit der Essener-Darstellung, findet aber, daß Josephus diese „bewußt redigiert und unter die Leitmotive Assimilation und Superiorität gestellt hat“. Exegetische Probleme werden von G. Langer behandelt: „Zur jüdisch-christlichen Bibelauslegung in den ersten Jahrhunderten. Das Problem des Geschichtsverständnisses am Beispiel der Exegese von Ez 16.“ Es werden die unterschiedlichen methodischen Zugänge der rabbinischen Exegeten und der Kirchenväter am selben Bibeltext aufgezeigt. In der Problematik des christlich-jüdischen Verhältnisses spielt das Thema der Zwangstaufe eine große Rolle. G. Stemberger weist in einem gut belegten Aufsatz „Zwangstaufen von Juden im 4. bis 7. Jahrhundert, Mythos oder Wirklichkeit?“ nach, wie vorsichtig mit den Angaben über Zwangstaufen von Juden in der vorislamischen Zeit umgegangen werden muß, denn die meisten Angaben dazu sind „eher Zeugnis für religiöse Einstellungen des Mittelalters als für die historische Wirklichkeit“ ihrer Zeit.

Zum Thema Judentum und die Völker der Welt macht C. Thomas Analyse rabbinischer Gleichnisse Hintergrundzusammenhänge deutlich: „Die Weltvölker im Urteil rabbinischer Gleichniserzähler.“ Die einschlägigen aggadischen Quellen vermitteln die Sichtweise des rabbinischen Judentums in bezug auf theologisches Ideengut, Welt- und Menschenbild. Diesem Themenbereich ist auch die Arbeit von J. Maier, „Israel und Edom in den Ausdeutungen zu Dtn 2,1-8“, zuzuordnen. Die biblischen Texte über Esau/Edom/Amalek werden in der rabbinischen Exegese weitgehend unter dem Vorzeichen des Gegensatzes zwischen Israel und seinen Hauptwidersachern gedeutet. Bei der Auswertung der Quellen wurden auch die liturgischen Dichtungen Jannais (6. Jh.) berücksichtigt mit eigenen Übertragungen Maiers. Die Sagen und Legenden um König Salomo beschäftigten schon immer die jüdische Volksphantasie. E. Romero schreibt über diesen Legendenkreis im judeo-spanischen Bereich unter Berücksichtigung der handschriftlichen Überlieferung „Relatos en lengua sefardú sobre el rey Salomón“. H. Avenary erörtert die Bedeutung der Glocken am hohenpriesterlichen Gewand. Das Klingen der Glocken habe die Funktion, böse und schädliche Mächte im Umkreis der Hohenpriester fernzuhalten. „Transformationen ursprünglicher Ideen: Die Glocken am hohenpriesterlichen Gewand.“ Dagmar B.-Klein liefert eine deutsche, mit Anmerkungen versehene Übertragung des hebräisch verfaßten apologetischen Werkes des Josef ben Isaak Qimchi (1105-1170). „Das Buch des Bundes. Josef Qimchis Diskussion zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen.“

Die Aufsätze von G. Tamani und Katrin K.-Appel sind dem illustrierten handgeschriebenen hebräischen Buch gewidmet. Tamani inventarisiert hebräische Handschriften italienischer Provenienz, deren Illustrationen von nichtjüdischer Hand herrühren: „Manoscritti ebraichi con miniature non ebraiche“.

Kogmann sucht nach jenen ikonographischen Vorlagen, welche die Illuminatoren der sephardischen Haggadot verwendeten. Ihr Erklärungsmodell ist stark hypothetisch, da es die Möglichkeit einer Existenz jüdischer Handschriften der Spätantike postuliert, „die sowohl im Osten als auch im Westen entstanden sind, welche ihrerseits aus gemeinsamen klassisch-römischen Vorlagen resultieren, die sowohl jüdische als auch christliche Künstler des Ostens wie auch des Westens verwendeten“: „Die Modelle des Exoduszyklus der Goldenen Haggada (London, British Library, Add. 27210).“

Abschließend folgen zwei Beiträge von K. Dethloff mit dem Titel: „Wie Herzl verstanden werden wollte. Die Bedeutung der Jurisprudenz für den politischen Zionismus“ und von E. Weinzierl über „Das Schicksal einer burgenländischen Jüdin im 20. Jahrhundert“.

Insgesamt dürfen wir staunen, wie die Herausgeber dieser Festschrift den weiten Bogen über mehrere ineinandergreifende Disziplinen zu spannen wußten.

Hermann I. Schmelzer


Jahrgang 1 / 1993/94 Seiten 175-176


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