Jüdische Religion in Fest, Gebet und Brauch. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 1993. Topos-Taschenbuch 236. 210 Seiten.
Wolfgang Walter erkennt das dringende Bedürfnis, jüdische Religiosität auch den zumeist sehr unkundigen Christen aufzuschließen. Es gelingt ihm in sympathischer Weise, indem er vor allem Juden selber in der ganzen Vielfalt religiöser, historischer, persönlicher Texte sprechen läßt, die nicht Theorie, sondern Glaubensleben in seiner Wärme bezeugen. Er stellt die Einheit im Tun — bei der Vielfalt der Lehre — dar, das Feiern, vor allem im Haus, in der Familie. Einleuchtend, daß er mit dem Sabbat beginnt. „Freitag zur Nacht ist jeder Jud ein König“, singt ein Volkslied. In freundlicher, anschaulicher Beschreibung und Begründung wird über den Festkreis des Jahres informiert: die Vergegenwärtigung der Geschichte Gottes mit seinem Volk, die innige Freude dieser Feste und den ergreifenden Ernst der Hohen Feiertage Rosch haSchana und Jom Kippur. Hier wird Franz Rosenzweig „Der Stern der Erlösung“ III, 80-86 zitiert: „In der jährlichen Wiederkehr dieses, des ,jüngsten‘ Gerichts ist die Ewigkeit von aller jenseitigen Ferne befreit; sie ist nun wirklich da, greifbar, faßbar dem einzelnen und den einzelnen mit starker Hand greifend und fassend . . . An diesen Tagen steht der einzelne unmittelbar in seiner nackten Existenz vor Gott . . . Und so können die Wir, in deren Gemeinschaft der einzelne also in seiner nackten und bloßen Menschlichkeit vor Gott an seine Brust schlägt und in deren bekennendem Wir er sein sündiges Ich fühlt wie nie im Leben, keine engere Gemeinschaft sein als die eine der Menschheit selbst. Wie das Jahr in diesen Tagen unmittelbar die Ewigkeit vertritt, so Israel an ihnen unmittelbar die Menschheit“ (84 ff.). Der Bogen reicht dann bis zu den Spielen, der Ausgelassenheit von Purim. Mit solchen Einsichten können auch Christen ihren eigenen Kult, ihr Kirchenjahr, ihre Feste besser verstehen.
Walter führt durch die Synagoge, zeigt den Aufbau, die Aufgaben der Gemeinde (Pflege der Religion, Lernen, Unterricht, Unterstützung der Armen, Rechtsprechung), die Stellung und Aufgabe des Rabbiners, die Feiern im Lebenslauf von der Beschneidung bis zur Beerdigung, die Stellung der Frau, die Speisevorschriften, das häusliche Leben. Hilfreich auch die fünf Seiten Worterläuterungen und neun Seiten Literatur-Auswahl.
Elisabet Plünnecke
Jahrgang 1 — 1993/94 Seite 302