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Gertrud Luckner
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Feinberg, Anat (Hg.)

Rose unter Dornen

Frauenliteratur aus Israel. Bleicher, Gerlingen 1993. 288 Seiten.

An den drei Teilen dieser Anthologie – „Auf dem Weg in die Moderne“, „Klassische Moderne“ und „Stimmen der Gegenwart“ – läßt sich recht eindrucksvoll der Weg verfolgen, den die israelische Frauenliteratur seit Beginn dieses Jahrhunderts genommen hat. Mit dem wachsenden Selbstbewußtsein der Autorinnen und der fortschreitenden Emanzipation werden auch die Themen nicht nur vielfältiger, sondern gewinnen an sozialer und politischer Aussagekraft. Vorwiegend aus weiblicher Perspektive werden der Holocaust und seine Nachwirkungen, die Kollektiverziehung im Kibbuz ebenso wie der jüdisch-arabische Konflikt und manch andere Probleme, mit denen der jüdische Staat bis heute zu kämpfen hat, betrachtet und erscheinen dadurch oft in einem neuen Licht.

In der Erzählung Der Zeuge von Shulamith Hareven (selbst Holocaust-Überlebende) z. B. berichtet der Lehrer Jotam Raz rückblickend von dem jungen polnischen Juden Schlomek. Als einziger Überlebender seiner Familie kommt Schlomek während des Zweiten Weltkrieges nach Israel. Doch er hat es schwer, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, zumal seine Schreckensberichte bei allen auf taube Ohren stoßen. Er ist und bleibt ein Außenseiter, ein Vertreter des Diaspora-Judentums, von dem sich die „neue Generation“ der im Lande geborenen Israelis bewußt distanzieren möchte. Daß es Schlomek schließlich doch noch gelingt, seinem Zeugenbericht Gehör zu verschaffen, indem er nachts allein nach Jerusalem geht, legt ihm Jotam als Verantwortungslosigkeit aus und beklagt seine mangelnde Geduld.

In der Einleitung gibt die Herausgeberin wertvolle Hinweise zur Stellung der Frau in der israelischen Gesellschaft und besonders zum Stellenwert der Frauenliteratur innerhalb der gesamten hebräischen Literatur. Ergänzt durch Hinweise auf die speziellen Lebensumstände der verschiedenen „Schriftstellerinnen-Generationen“ wird damit der Blick geschärft für die in den Erzählungen thematisierten Problembereiche.

Christine Badstöber


Jahrgang 2/1995 Seite 46



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