Ein Bericht über die Vernichtung der Juden Lettlands. (Anpassung — Selbstbehauptung — Widerstand — Band 3.) LIT Verlag, Münster 1993. 133 Seiten.
In Lettland lebten vor Beginn der deutschen Besatzung etwa 95.000 Juden. Bis Herbst 1944 waren davon mindestens 90.000 ermordet worden. Das Getto der lettischen Hauptstadt Riga spielte in der „Endlösung der Judenfrage“ der Nationalsozialisten eine zentrale Rolle. Dorthin wurden Tausende Juden aus Deutschland, Tschechien, Österreich und anderen Teilen Europas zwangsverschleppt. Dort begann der Massenmord, der sich über ganz Lettland erstreckte und mit Namen wie Salaspils, Jungfernhof, Kaiserwald, Bikernieki-Wald, Shirotawa verbunden wird. Die Gesamtzahl aller in Lettland ermordeten Juden wird heute auf etwa 250.000 geschätzt. Dennoch ist die Gefahr groß, die Vernichtung der Juden in Lettland zu vergessen. Schuld daran war und ist nicht zuletzt die Politik der Sowjetherrschaft, die zwar ständig an die Nazigreuel erinnerte, die Greuel an der jüdischen Bevölkerung dabei aber verschwieg. Meir Levenstein schreibt daher in seinem Epilog: „Im Oktober 1962 fand in Riga das erste Gedenktreffen zur Erinnerung an die Naziopfer statt. Man nannte die Namen vieler Völker, die unter Hitler litten — die Juden erwähnte niemand.“ Das gleiche gilt für Gedenktafeln, Denkmäler oder Prospekte, die von der Sowjetregierung angefertigt wurden. Die Juden wurden von der Opferliste der Nazis gestrichen.
Gerade auch deshalb ist der erschütternde Bericht des lettischen Juden Meir Levenstein über sein Schicksal von 1941 bis 1945 ein unschätzbares Zeugnis, das die Welt an die Tragödie von mindestens 250.000 Juden in Lettland erinnert.
Herbert Winklehner
Jahrgang 2/1995 Seite 56