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Gertrud Luckner
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Lohrbächer, Albrecht, Hg.

Was Christen vom Judentum lernen können

Modelle und Materialien für den Unterricht. Im Auftrag der Hermann-Maas-Stiftung. Herder, Freiburg 21994. 220 Seiten.

„Lernen“ durchzieht diesen Band wie ein Leitmotiv. Es geht darum, christliche Multiplikatoren zu lehren,
— was Judentum aus jüdischer Sicht unter Berücksichtigung der Vielfalt jüdischer Strömungen meint,
— welche traditionell christlichen Vorstellungen vom Judentum korrekturbedürftig oder gar der Gattung „Feindbilder“ zuzuordnen sind,
— was es bedeutet, Tora zu lernen, und schließlich
— inwiefern all das für Christen relevant ist: Jesus von Nazaret wird in seiner Auslegung der Tora — insbesondere in seiner Praxis des Liebes- und des Sabbatgebots — anhand zeitgenössischer Kontexte so unverwechselbar (pharisäisch-)jüdisch profiliert, daß eine Herauslösung aus seiner jüdischen Religion die Konturen seiner Persönlichkeit verwischen und eine Darstellung Jesu im Sinne unversöhnlicher Konfrontation mit dem Judentum geradezu töricht erscheinen muß.

Das ist kein bequemes, aber ein dringend notwendiges Buch von Praktikern für die Praxis.

Das Autorenteam verlangt seinen Lesern Offenheit sowie Lernfähigkeit und -willigkeit ab. Selten wurden z. B. überkommene christliche, auch neutestamentliche, Antijudaismen so ungeschminkt benannt wie hier im VI. Kapitel („Vorurteile, Lügen und Mißverständnisse verlernen“). Andererseits werden die Leser nicht allein gelassen, wenn sie sich bei den eigenen Vorurteilen ertappen; vielmehr erfahren sie, wie es dazu kommen konnte und wie man angesichts des heutigen Kenntnisstandes in der christlichen Unterweisung damit umgehen kann.

Der lernende Mitvollzug ungewohnter Einsichten wird ferner dadurch erleichtert, daß die Autoren auf Konkretisierung setzen — sei es, daß sie anstelle trockener Darlegungen einfühlsam ausgewählte, authentische jüdische Texte sprechen lassen oder daß sie etwa an der Gestalt von Hermann Maas beispielhaft zeigen, wie ein Christ ein „Lernender im Judenturn, ein Gerechter“ wird und welche persönlichen Konsequenzen sich daraus ergeben können.

Methodisch ist der Band zwischen Lesebuch und Unterrichtsmodell angesiedelt. Die Verfasser setzen auf Multiplikatoren, die bereit sind, sich durch Sachinformation überzeugen zu lassen und ihren persönlichen Lernfortschritt in die Praxis (des Unterrichts, der Gemeinde-Unterweisung . . .) umzusetzen. Dafür werden konkrete Hinweise, Vorlagen für Lehrer-Erzählungen und Arbeitsblätter als Bausteine angeboten; auf ausgearbeitete, bis ins Detail festlegende Unterrichtsmodelle wird dagegen (pädagogisch gesehen: mit gutem Grund) verzichtet.

Das Buch ist geprägt von persönlichem Engagement und differenzierter Sachkenntnis, die in verständlicher Sprache und mit großem didaktischem Geschick dargeboten wird. Es vermittelt nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch eine neue Sensibilität für christliche Lehre über das Judentum. So könnte es zur Grundlage eines neuen, sachgerechten Religionsunterrichts ohne antijüdische Stoßrichtung werden. Daher gehört der Band in jede Lehrerbibliothek und sollte Theologie Studierenden, Religionslehrern und Pfarrern als Pflichtlektüre verordnet werden — weniger um des Judentums als vielmehr um des Christentums willen!

Hildegard Gollinger


Jahrgang 2/1995



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