Innsbrucker theologische Studien Band 31. Tyrolia Verlag, Innsbruck/Wien 1991. 568 Seiten.
Dies ist die Dissertation, die die Autorin 1988 der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt hat. Die Arbeit wurde von den Professoren H. Pottmeyer und R. Schaeffler betreut, von kompetenten jüdischen Freunden (u. a. Schalom Ben-Chorin und J. J. Petuchowski) begleitet und mit mehreren akademischen Preisen ausgezeichnet. Ihre Voraussetzung: Judentum und Christentum haben in der Anrede Gottes ihr gemeinsames Fundament. Ihr Thema: die jüdische Gebetssprache und das christliche Offenbarungsverständnis. Ihr Ziel: Fortschritte in der theologischen Verständigung zwischen Juden und Christen.
In einem ersten Teil werden die Ansätze zur Wiederentdeckung des Judentums auf dem 2. Vatikanischen Konzil und die Vatikanischen „Richtlinien“ (1975) und „Hinweise“ (1985) dargestellt, die Probleme des christlich-jüdischen Dialogs scharfsinnig beschrieben und das Offenbarungsverständnis des Konzils als Rahmen für ein Neuverständnis des Neben- und Miteinander von Israel und Kirche akzeptiert. Denkbare Alternativen zu diesem Offenbarungsverständnis werden nicht weiter diskutiert.
Für den christlichen Leser ist der zweite Teil, der philologisch sorgsam und historisch kenntnisreich eine Theologie jüdischer Stammgebete entfaltet, am wichtigsten, weil hier ein bislang weniger bekanntes Feld erschlossen wird. Hier kommen vor allem die Barukh-Formel, Schma'-Benediktionen und die 19 Benediktionen der Tefilla zur Sprache. So wird ein detaillierter und aufschlußreicher Zugang zu diesen wichtigen jüdischen Gebeten erschlossen. Diese Pionierarbeit verdient hohe Anerkennung.
Der dritte Teil versucht, über das Gebet Ansätze zu einer jüdisch-christlichen Verständigung zu finden. Dabei entfaltet J. Kirchberg eine Theologie in der Anrede, die sich vor allem auf das Sprachdenken von F. Rosenzweig und die Theologie von G. Ebeling stützt. Auch hier bewegt sich die Arbeit auf hohem wissenschaftlichen Niveau, ohne allerdings die Schwierigkeiten zu bedenken, die viele Zeitgenossen heute mit dem Beten überhaupt haben.
Das umfangreiche Literatur- und Quellenverzeichnis und der reiche Anhang mit vielen jüdischen Gebeten (zweisprachig: hebräisch und deutsch) geben dem Buch einen zusätzlichen Wert.
Die Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zu jüdisch-christlicher Verständigung auf dem Gebiet, das für beide Partner in ähnlicher Weise im Mittelpunkt ihrer Gottes-Rede steht.
Werner Trutwin
Jahrgang 2/1995 Seite 132