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Schwalbach, Bruno

Erzbischof Conrad Gröber und die deutsche Katastrophe

Sein Ringen um eine menschliche Neuordnung. Badenia Verlag, Karlsruhe 1994. 344 Seiten.

Der ersten Studie von 1985 (Erzbischof Conrad Gröber und die nationalsozialistische Diktatur) folgt 1994 eine weitere historische Arbeit von Bruno Schwalbach, die die Jahre nach Kriegsende bis zum Tode des Freiburger Oberhirten am 14. Februar 1948 beleuchtet, wobei der Dokumentationsteil darauf hinweist, daß die deutsche Katastrophe mit Hitlers Totalitarismus begann.

Diese Arbeit wird sicher nicht die letzte Publikation über Erzbischof Gröber sein, zumal es — wie Hugo Ott bereits 1985 bemerkte — nicht leichtfällt, zu einem gerechten Urteil aus historischer Sicht zu gelangen. Dies ist erst jüngst deutlich geworden durch einen Leserbrief vom Dezember 1994 in der Badischen Zeitung, der, die neueren Quellen außer acht lassend, Erzbischof Conrad Gröber als „antisemitisches Oberhaupt der katholischen Kirche“ bezeichnete. Hat Gröber auch anfangs an einen möglichen Brückenschlag zum Nationalsozialismus geglaubt, so ist er schon 1935 auf Gegenkurs gegangen und hat im Frühjahr 1941 Frau Dr. Gertrud Luckner, die Begründerin des Freiburger Rundbriefs, damit beauftragt, vom Deutschen Caritasverband aus jede nur mögliche Hilfe für die verfolgten deutschen Juden zu organisieren. Frau Dr. Luckner wurde deswegen 1943 von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Im Nachlaß von Erzbischof Gröber findet sich folgende Notiz vom 6. Juni 1946: „Ich selber bin Frau Dr. Luckner für ihre Tätigkeit besonders dankbar, weil sie seit März 1941 in meinem Auftrag und mit meinem Risiko tätig war.“

Schwalbach läßt vorwiegend die Quellen sprechen (Anhang 107-340), die dem kritischen Leser zu einem eigenen Urteil verhelfen sollen. Nach der Einleitung (8-12) folgt zur Verdeutlichung der Situation unmittelbar nach Kriegsende ein Bericht von Ivo Zeiger (13-32), dem damaligen Rektor des Collegium Germanicum in Rom, der im September 1945 im Auftrag von Papst Pius XII. eine Erkundungsfahrt durch das besetzte Deutschland unternahm und dabei neben anderen Bischofsstädten auch Freiburg besuchte, dessen Stadtkern rings um das Münster restlos zerstört war.

An dem Ziel der Alliierten, der Beseitigung des Nationalsozialismus (Entnazifizierung), wird erkennbar, wie Erzbischof Gröber sich der Not der Menschen annahm. Hunderte von Bittgesuchen, die die Entnazifizierung betrafen, erreichten den Erzbischof, und er versuchte zu helfen, wo immer er es vor seinem Gewissen verantworten konnte. Er hatte schließlich den Gestapo-Staat hautnah erlebt und sein Leben war mehrfach in Gefahr.

In den sieben Hirtenbriefen der Jahre 1945-1948 (33-38), die im Anhang (185-314) in ihrem vollen Wortlaut abgedruckt sind, werden Not und Entbehrung anschaulich, die die Menschen zu erleiden hatten. Gröber nahm sich des Flüchtlingsproblems in den ersten Nachkriegsjahren ebenso an wie der katastrophalen Ernährungslage seiner Gläubigen. In seinem Hirtenbrief vom 21. September 1945 schreibt er: „Dem Ausland gegenüber möchten wir alles eher denn als lästige Bettler erscheinen, die verwahrlost und charakterlich zermürbt oder gar arbeitsscheu und ohne Scham an fremde Türen klopfen. Aber als arbeitswillige, hungernde und bald frierende deutsche Menschen dürfen wir es wohl wagen, die christliche Welt durch den Heiligen Vater zu bitten, daß man uns das Notdürftige an Wohnung, Nahrung, Kleidung und Förderungsmitteln belasse und vorübergehend uns unterstütze, bis uns die eigene Versorgung wieder gelingt.“

Der „Brief über die Kirche“ von Ida Friederike Görres (45-63) hat Gröber tief verletzt, wie aus seiner Antwort (64-68) hervorgeht.

Mit Gröbers unmittelbar nach Kriegsende verfaßter Gesamtdarstellung der Reichskonkordatsverhandlungen, an denen er beteiligt war, liegt uns eine Arbeit von unverzichtbarem Wert vor (120-183).

Die Unterstützung, die Gröber seinem Sekretär Bernhard Welte bei seinem Habilitationsverfahren gegen die Ablehnung der Fakultät zukommen ließ, zeigt ihn — wie in vielen anderen Situationen — als einen Freund der Menschen: Großes Herz — voll Temperament und Liebe, wie sein Sekretär an seinem 30. Todestag im Jahre 1978 über ihn schrieb (326-332).

Erzbischof Conrad Gröber wollte nie ein politischer Bischof sein. Sein Ideal war das des schlichten Volksbischofs. In erster Linie war er Seelsorger. Seelsorge war für ihn die „Kunst der Künste“. Darin lag seine Stärke — so der Verfasser in seinem Schlußwort (104-105).

Auf die immer noch ausstehende historisch-kritische Biographie über Erzbischof Gröber darf man gespannt sein. Wichtiges Quellenmaterial hat dafür die Studie von Schwalbach geliefert.

Gertrud Rapp


Jahrgang 2/1995 Seite 291



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