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Ben Nachum, Jonathan

Die Beichte des Andrés Gonzálles

Originalausgabe: Widui. Zmora Bitan Publishers, Tel Aviv. Übersetzt von Miriam Magall. Diederichs-Verlag, München 1994. 285 Seiten.

Prozeßakten des Inquisitionstribunals in Toledo wurden von einem Historiker der Hebräischen Universität Jerusalem gefunden und veröffentlicht. Der mit diesem Historiker befreundete Nachum legte diesen Prozeß, den die Akten bezeugen, seinem Roman zugrunde, und die Tatsachen sind wirklich romanhaft.

Der Sohn eines „converso“, d. h. eines getauften Juden, wird Priester. Sein Vater, ein angesehener Arzt am Hofe, kommt bei einem Zusammenstoß der Juden mit den fanatisierten Altchristen ums Leben, das Kind Andrés wird in einem Kloster erzogen und dann Priester in einem Dorf. Andrés weiß, daß er von Juden abstammt, sein Großvater hat seine Mutter verstoßen, liest mit Hingabe hauptsächlich die Hebräische Bibel, allerdings auf lateinisch, denn Hebräisch, die ,Heilige Sprache‘, hat er nicht gelernt. Eines Tages trifft er mit getauften Juden zusammen, die im geheimen aber noch nach ihrer angestammten Religion leben, wobei er ein unerklärliches Zusammengehörigkeitsgefühl verspürt und sich noch dazu gleich in die schöne Tochter des Hauses verliebt. Sie heiraten nach jüdischem Ritus, haben ein Kind zusammen. Nach außen ist Andrés weiter Priester, seine Frau lebt als Haushälterin bei ihm. Das war damals nichts Außergewöhnliches. Das Kind allerdings wird von seinen jüdischen Großeltern in einem anderen Dorf aufgezogen, weil es jüdisch sein und bleiben sollte. Die Eltern gaben sich als Onkel und Tante aus.

Die Liebe Andrés‘ zu seiner Frau Isabella ist groß und tief. Als er schließlich seinem Sohn entdecken will, daß er sein Vater und Isabella seine Mutter ist, beichtet er ein letztes Mal seinem alten Lehrer, den er sehr verehrt und zu dem er Vertrauen hat. Doch die Inquisition hört die Beichte im Verborgenen mit und Andrés und Isabella enden auf dem Scheiterhaufen.

Die Kenntnis des katholischen Lebens in Spanien am Ende des 15. Jahrhunderts ist beeindruckend, das Einfühlungsvermögen ins Dilemma eines katholischen Priesters, der im geheimen mit einer Jüdin verheiratet ist, nicht weniger.

Die Auslegungen der Bibel, nicht nur der Hebräischen, zeugen von großem Wissen und Verständnis, unterbrechen aber den Fluß manchmal zum Nachteil der Geschichte.

Nachum selber ist Nachfahre eines sephardischen spanischen Juden und lebt jetzt nach langen Jahren als Lehrer in einem Kibbuz als freier Schriftsteller in Tel Aviv.

Eva Auf der Maur


Jahrgang 3/1996 Seite 42



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