IRP-Unterrichtshilfen für den RU an Hauptschulen (Klasse 7, Lehrplaneinheit 4). IRP, Habsburger Straße 107, 79104 Freiburg, 1995. 36 Seiten.
Unterrichtshilfen zum Thema Judentum müssen sich am heutigen Stand des christlich-jüdischen Dialogs bzw. der christlich-theologischen Sicht des Judentums messen lassen. Die vorliegende Materialsammlung — vorwiegend Kopiervorlagen für die Hand der Schüler — wird diesem Anspruch weitgehend gerecht:
Anstelle gängiger, das Judentum abwertender Klischees werden gemeinsame Glaubensinhalte von Juden und Christen benannt (M 24), darunter (neben Selbstverständlichkeiten wie Altes Testament, 10 Gebote, Auferstehungshoffnung, Glauben an den einen Gott) auch die Sicht des Menschen als Ebenbild Gottes, das Warten auf den Messias (!) und die Überzeugung, „daß Gottesliebe ohne Nächstenliebe nicht möglich ist“.
Die Darstellung des (grafisch geschickt gestalteten) jüdischen und christlichen Festkalenders (M 10,11) vermittelt ein vergleichendes Verständnis von Festinhalten, ohne der Gefahr der Harmonisierung zu erliegen.
Die Geschichte des jüdischen Volkes endet nicht mit der Tempelzerstörung, sondern reicht — unter Einbeziehung des millionenfachen Judenmords und des Staates Israel — bis in die Gegenwart. Zeitgenössisches Judentum begegnet in (fiktiven) Gesprächen, Fotos, einem Brief aus Jerusalem (M 22, wobei allerdings die Hausnummer rechts — in Israel: links! — vom Straßennamen plaziert ist) und mehreren Erkundungsaufträgen an die Schüler (Klassenfahrt, Bibliotheksgang, Spurensuche nach „jüdischem Leben vor der eigenen Haustür“, Namensforschung).
Die Unterrichtshilfe ist inhaltlich wie pädagogisch gelungen, bietet aber mit Rücksicht auf den Adressatenkreis nur eine — weitgehend auf Stichworte beschränkte — Minimalinformation. Das bedingt Unterlassungen, deren mögliche Folgen an zwei Beispielen deutlich werden:
So erfreulich die Erwähnung der Wiederherstellung des jüdischen Staates ist, so ärgerlich ist das Verschweigen des UNO-Teilungsbeschlusses von 1947. Die Nichterwähnung dieser Rechtsgrundlage und die mehrfache Betonung, daß die Staatsgründung „gegen den Willen der arabischen Nachbarn“ erfolgte (M 2, 3, 4), begünstigt den Eindruck, der „ständige Kriegszustand mit den arabischen Nachbarstaaten“ sei die logische Folge eines jüdischen Willkürakts.
Der Titel der Unterrichtseinheit wird nicht thematisiert. Das noch immer verbreitete Mißverständnis, Juden fühlten sich als „etwas Besseres“, macht jedoch eine Information darüber, wie Juden ihre Erwählung verstehen, unverzichtbar.
Die Erfahrung zeigt, daß Lehrer mit dem Ausgleich solcher Informationsdefizite überfordert sind. Sollen die positiven Ansätze der Autoren und Autorinnen nicht durch Unkenntnis zunichte gemacht werden, ist (über das Quellenverzeichnis hinaus) ein Hinweis auf vertiefende Literatur dringend erforderlich.
Hildegard Gollinger
Jahrgang 3/1996 Seite 122