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Müller, Klaus

Tora für die Völker

Die noachidischen Gebote und Ansätze zu ihrer Rezeption im Christentum (Studien zu Kirche und Israel 15). Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994. 307 Seiten.

Im „Vorwort“ beschreibt der Verf. das Ziel seiner Arbeit, eine Heidelberger theologische Dissertation, so: „,Tora für die Völker‘ meint die universale Dimension jüdischer religionsgeschichtlicher Tradition, die bei den talmudischen Weisen in den sieben noachidischen Geboten konkrete Gestalt gewinnt. Die vorliegende Studie unternimmt eine Analyse dieses rabbinischen Konzeptes und seiner Wirkungsgeschichte, entfaltet seine systematischen Implikationen und stellt die noachidische Tora als eine Herausforderung auch für das christliche Fragen nach Gottes Gebot zur Diskussion.“

Die Großgliederung der Arbeit: Einleitung: Tora für die Völker — eine Wegbeschreibung. I. Die Quellen der sieben noachidischen Gebote im frührabbinischen Schrifttum. II. Die Ursprünge der Tradition über die noachidischen Gebote (wichtig hier besonders die Nr. 5: „Die noachidischen Gebote als frührabbinische Lehre“, nämlich entstanden erst im 2. Jh. n. Chr., nicht schon früher, wie oft behauptet!). III. Vier systematische Implikationen der tannaitischen Lehre von den sieben noachidischen Geboten (hier besonders wichtig die Nr. 4: „Der eschatologisch-soteriologische Horizont des Noachidenkonzeptes: Anteil (der Völker) an der kommenden Welt“). IV. Die noachidischen Grundsätze und ihre Einzelbestimmungen (1. Rechtspflege, 2. Götzendienst, 3. Gotteslästerung, 4. Unzucht, 5. Blutvergießen, 6. Raub, 7. Ein Glied von Lebenden). Die noachidischen Gebote und das Neue Testament (hier geht es vor allem um das Aposteldekret und um die drei Kardinalsünden als Herzstück urchristlicher Weisung, speziell bei Paulus und in der Johannes-Apokalypse. Aus der Zusammenfassung dieses Abschnitts: „Das neutestamentliche Christentum macht die Frühform der noachidischen Tora in Gestalt der Kardinalsündentrias zur verbindlichen Weisung . . . Entsprechendes geschieht nicht weniger evident auch in der Rezeption des Liebesgebotes als einer großen Regel in der Tora — und eben auch im Neuen Testament“). VI. Die noachidischen Gebote und ihre Wirkungsgeschichte in der christlichen Theologie (beginnend mit Tertullian bis zu Reimarus, Mendelssohn und Lessing). VII. Drei Zusammenhänge der Rede von den noachidischen Geboten in der systematischen Theologie.

Es folgen noch „Sieben zusammenfassende Thesen“ (dabei die These III: „Das entscheidende Implikat des Noachidenkonzeptes ist eine Lehre vom Anteilgewinnen der weltweiten Menschheit an der Bundes- und Verpflichtungsgeschichte Gottes mit seinem Volk Israel. Das noachidische Siebengebot stellt ein integrales Moment göttlicher Torakunde dar und repräsentiert den universalen Geltungsbereich der Weisung vom Sinai“; es ist also nicht „naturrechtlicher“ Art!). Es schließt sich noch an: „Systematisch-theologischer Ertrag für die Frage nach einer Tora für die Völker: Eine gegenüber Martin Luther erneuerte ,Unterrichtung, wie sich die Christen ynn Mosen sollen schicken‘“; Literaturverzeichnis; Verzeichnis der Autorinnen und Autoren; Stellenregister.

Klaus Müller legt mit seiner Dissertation ein umfassend gelehrtes Werk vor, ganz erarbeitet aus den primären (meist hebräischen) Quellen und in ständigem Gespräch mit der zuständigen Sekundärliteratur. Kein Lehrer des Neuen Testaments wird an ihm vorübergehen können, besonders dann nicht, wenn er sich mit der neutestamentlichen Ethik befaßt. Und es ist zugleich ein Werk, das den christlich-jüdischen Dialog entscheidend fördert. Es befreit von hergebrachten christlichen Vorurteilen, die vielfach auf Unkenntnis beruhen. „Der christlichen Theologin und dem christlichen Theologen ist zunächst ein judaistisches Studium im Lehrhaus der Rabbinen zuzumuten, wenn denn das Ver- und Bedrängen der Tora überwunden werden soll“ (21).

Franz Mußner


Jahrgang 3/1996 Seite 288



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