Lambert Schneider, Gerlingen 1995. 120 Seiten.
Seit 1938 lebt Erich Hartmann in New York. Bekannt wurde er durch Fotoreportagen, Bücher und Ausstellungen. Das vorliegende Buch dokumentiert seine Ausstellung „Fotografien aus Konzentrationslagern“. Hartmann wehrt sich entschieden gegen die immer gleichen Fragen, diese Fotos — vor einem Jahr gemacht — seien nicht inszeniert. Bei diesem Thema eben gerade nicht. So schnell wie möglich habe er seine Aufnahmen fertiggebracht — lange hielt er es an jenen Orten nicht aus. Die Fotos seien auch ohne Hilfsmittel entstanden. Blitzlicht, Stativ ließ er beiseite; diese Orte benötigen kein künstliches Licht. Das, was ihn berührte, wollte er im Bild festhalten, so unverstellt wie möglich. Diese Ausstellung dient nach Hartmann nur einem Zweck: der Erinnerung. Acht Wochen lang fuhr Erich Hartmann im Winter 1993/94 von KZ zu KZ, immer ein Ziel vor Augen: Auschwitz ... Bergen-Belsen ... Buchenwald ... Dachau ... Groß-Rosen ... Majdanek ... Mauthausen ... Ravensbrück ... Sachsenhausen ... Theresienstadt ... Treblinka ...
Unsentimental reagiert Erich Hartmann, wenn er an die Zukunft der Erinnerungsstätten denkt. Die seien dem Verfall preisgegeben, werden von Bauherren und Industriellen in Anspruch genommen. In fünf oder zehn Jahren werden diese Fotos nicht mehr gemacht werden können. „Ich bin kein Optimist, doch glaube ich an die (zugegeben nicht nahe) Möglichkeit, daß wir zusammen eine Zukunft schaffen können, in der die Gaskammern auf immer leer stehen und schließlich zerfallen, ein Leben, in dem Kinder, darunter meine Enkelkinder, nicht einmal wissen werden, was das ist.“
Ein ruhiger, bescheidener, alter Mann hat sein Werk zu einem Abschluß gebracht, so wirkt es. „Einen Liebesdienst“ habe er leisten wollen, „einen Liebesdienst für meine jüdischen Glaubensgeschwister und für Menschen überhaupt“. Jede Vernichtung schlage schließlich auch auf jene zurück, die meinen, nicht betroffen zu sein. Es seien Bilder entstanden, „die so leise sind, daß sie einen anschreien“. Seine Art, zu Leuten zu sprechen.
Stefan Berkholz
Jahrgang 4/1997 Seite 206