Theater in nationalsozialistischen Konzentrationslagern von 1933-1945. Eine Dokumentation. Verlag Erich Walter, Hagen 1996. 140 Seiten.
„Wenn Theresienstadt nicht die Hölle wäre, wie Auschwitz, dann war es das Vorzimmer zur Hölle. Aber kulturelle Bestrebungen waren dort noch möglich ... ,Wir sind menschliche Wesen, und wir bleiben es‘, sagten sie auf diese Weise, ,trotz allem! Und wenn wir zugrunde gehen müssen, dann darf dieses Opfer nicht vergeblich gewesen sein. Wir wollen ihm einen Sinn geben!‘ (112 f.).
Um diesen Sinn in der „sinnlosen“ Hölle der Konzentrationslager geht es im Buche von A. E. Metzger. In den kulturellen Bemühungen im KZ sieht sie so etwas wie „Lebensbewältigung und Überlebenstraining mittels des Theaters“. Ja, es war mehr, es war nach der Autorin „eine Plattform, auf der Glaubensbekenntnisse, geistiger Widerstand, nationale Gefühle, politische Überzeugungen, humanitäre Hilfen, pädagogische Thesen ... unmißverständlichen Ausdruck fanden“ (80).
So unglaublich es uns heute anmutet, im KZ wurde Theater gespielt, um im Sinnlosen einen Sinn und einen Halt zu finden, um überleben zu können. Das Groteske daran ist nur von außen gesehen. Die Insassen hingegen bezogen daraus Kraft, und sie leisteten mit versteckter Ironie Widerstand gegen die Nazis und machten sie lächerlich. Das Unwirkliche und die tödliche Gefahr hierbei waren ihnen durchaus klar: „Ein Lustspiel, aufgeführt in der Gesellschaft des Todes. Und in der Loge saßen die Henker“ (69).
Selbst in der aussichtslosen Hoffnungslosigkeit suchten die Häftlinge noch nach einem Lebensziel: „Einmal wieder wird Friede sein, und wir gehen heim“ (45).
Die KZ-Insassen lebten in einer Welt, „in der man aus Menschen Seife, aus Mädchenhaar Matratzen machte, eine Welt, deren Ungeheuerlichkeit keinen Vergleich zuließ“ (20). Trotzdem versuchten — wenigstens einige von ihnen — das Humane zu retten, indem sie durch das Theater das „Wahre, Gute, Schöne“ zu sich hereinholten. —
Angela Esther Metzger führt uns in eine unvorstellbare Welt, die aber trotzdem allgemein Menschliches vermittelt, wenn auch in einer absurden Extremsituation. Sie hat gut recherchiert, authentisch belegt und flüssig geschrieben. Der Aufbau des Buches ist differenziert und stringent vom Allgemeinen des KZ ausgehend über Thesen zu detaillierten Beschreibungen vom Theaterleben bis hin zu Interpretationen und Deutungen, die in die Tiefe gehen und das Buch zu einer unvergeßlichen Lektüre machen. Man merkt den Schriftsteller-Vater der Autorin, deren Erstlingswerk hervorragend geschrieben ist und ein gewichtiges Dokument unserer Zeitgeschichte darstellt. Trotz des Versuches einer „objektiven“ Beschreibung spürt man das persönliche Engagement der Verfasserin, deren Lebensweg gleichsam in dieses Buch einmündet.
Die unauslöschliche Sehnsucht des Menschen nach Sinn und Transzendenz, wie sie in diesem Buche zum Ausdruck kommt, läßt an einen bekannten KZ-Häftling aus Österreich denken, nämlich an Viktor Frankl, der im KZ seine Logotherapie begründete und durch die Suche nach dem Sinn eines individuellen Lebens entwickelte.
Das vorliegende Buch von A. Metzger gehört in die Hand eines jeden verantwortungsbewußten Deutschen, besonders der jüngeren Generation.
Karl Neise
Jahrgang 4/1997 Seite 215