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Limbeck, Meinrad

Das Gesetz im Alten und Neuen Testament

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997. XII u. 254 Seiten.

Über das „Gesetz“ in den biblischen Schriften ist viel geschrieben worden, Gutes und weniger Gutes. Meinrad Limbeck gelingt es auf hervorragende Weise, nicht die Frage nach den „Gesetzestheologien“ in der Bibel zu beantworten, sondern: „was denn Gott vom Menschen in Wahrheit will, und wozu er die Gemeinschaft mit dem Menschen sucht“. Er befragt die „Funktion“ des Gesetzes innerhalb der biblischen Schriften. Vorerst räumt er eine Reihe von Mißverständnissen im Umgang mit dem Begriff „Gesetz“ aus („Weder Strafe ... noch Gehorsam! Ein Gott, der sich kümmert.“), um dann in fünf Schritten die alttestamentlichen Ansätze systematisch durchzusehen. Hierin liegt der beste Teil des Buches. Limbeck zeigt die Funktion von „Gesetz“ innerhalb des Bundesbuches, der Propheten, des Deuteronomiums und der Priesterschrift auf. Er weist nach, daß letztlich das Gesetz in allen Schriften die Funktion hatte, Gottes hilfreiche Nähe zu vermitteln und erfahrbar zu machen, ein Mittel in die Hand zu geben, Gottes Heilswillen mitzuteilen. Die Priesterschrift sah das Zentrum der Schöpfung in Gottes Gegenwart inmitten Israels, wofür Israel sich bereitmachen mußte, um in dieser Wirklichkeit leben zu können. Auch wenn in der Priesterschrift die kultische Ordnungsfunktion gegenüber dem Deuteronomium bei weitem überwiegt, zeigt doch gerade der Vergleich dieser beiden Ansätze, daß die Funktion des „Gesetzes“ trotz der individuellen und vom Autorenhintergrund abhängigen Unterschiede immer wieder auf das gleiche abzielt: Gottes Mitsein mit dem Volk zu ermöglichen. Limbeck beschäftigt sich auch mit der Krise und Funktion des Gesetzes in der Spätzeit des Alten Testaments und in der zwischentestamentlichen Literatur, wo das Gesetz als Schöpfungsordnung und Weisheit eine Rolle bekommt, die Israels individuelle Gotteserfahrung auch in der Auseinandersetzung mit dem Hellenismus bewährt.

Im neutestamentlichen Teil behandelt Limbeck „Jesus und die Tora“, „Paulus und das Gesetz“ sowie das Matthäusevangelium, um in einem Abschlußstatement über „die Funktion des Gesetzes“ zu enden. Auch hier sucht Limbeck konsequent nach einer „Funktionsanalyse“ des Gesetzes. Er beschreibt Jesus als gesetzestreu. Sein Gesetzesverständnis war aber getragen gewesen vom unbedingten Heilswillen Gottes, von der Gegenwart von Gottes endgültigem Entgegenkommen. Gottes Barmherzigkeit wäre somit der Maßstab für das „Gesetz“ der Menschen. Wenn kritische Einwände überhaupt zu dem Buch erhoben werden können, dann am ehesten in diesen Abschnitten, wo man fragen darf, ob Jesu Gottes- und Gesetzesverständnis hier voll in allen Facetten beschrieben wurde. M. E. fehlt die in den Evangelien durchaus spürbare Radikalität Jesu, die nicht nur Gottes Barmherzigkeit, sondern das Gericht ankündigt (z. B. Lk 3,7-9) und auch einen willkürlichen Gott kennt (z. B. Mt 24,40-42). Auch bei Paulus fehlt eine Behandlung des Themas „Gesetz des Glaubens“ aus Röm 3,27, wo Paulus die durch Glauben zu ihrer wahren „Funktion“ gekommene Tora beschreibt. Limbecks Quintessenz des Buches ist zweifellos in seinen Schlußworten erkennbar, „daß Gott heute einem jeden Menschen als barmherziger Vater begegnen will“ (147). Auch wenn hier vielleicht zurecht einige kritische Korrekturen notwendig sein werden, bleibt trotzdem Limbecks Buch von unbezahlbarem Wert, denn selten zuvor habe ich so klug und überzeugend die Funktion von Tora in der Bibel erläutert bekommen.

Gerhard Bodendorfer


Jahrgang 4/1997 Seite 290



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