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Petersen, Birte

Theologie nach Auschwitz?

Jüdische und christliche Versuche einer Antwort. Institut Kirche und Judentum Band 24, Berlin 1996. 144 Seiten.

Birte Petersen greift mit ihrer Magisterarbeit eines der schwierigsten Themen auf — eine christliche Theologie nach der Schoa. Im möglichen Rahmen zeichnet sie überaus informativ und lesenswert zuerst eine Geschichte des jüdisch-christlichen Dialogs in Deutschland, um dann zu einer Sichtung der jüdischen „Holocaust Theologie“ überzugehen, ehe sie im eigentlichen Hauptteil die christlichen Deutungsversuche unter die Lupe nimmt. Auf jüdischer Seite werden explizit Elie Wiesel, Richard Rubenstein, Eliezer Berkovits, Emil Fackenheim und Irving Greenberg vorgestellt. Im Zusammenhang mit christlichen Antwortversuchen geht sie auf Entwürfe wie den von Hans Jonas ein.

Wichtig ist Petersen der Bezug zum Christentum, die kritische Anfrage an die christliche Theologie und die Möglichkeit eines jüdisch-christlichen Dialogs nach Auschwitz. Hauptgewicht legt sie aber — und da leistet sie Pionierarbeit — auf die christlichen theologischen Entwürfe einer Theologie nach Auschwitz, wobei hier noch einmal der Fokus auf die Christologie und die Gottesfrage selbst gelegt wird. Methodisch strukturiert sie die Entwürfe in solche, die (1) eine Kreuzestheologie vertreten, die (2) eine Theologie von Kreuz und Auferstehung angesichts von Auschwitz in Frage stellen und solche, die (3) von der Schoa berührte Christologie entwickeln. Wichtige Vertreter sind Jürgen Moltmann, Bertold Klappert (1), Alice/Roy Eckardt, Paul van Buren (2) Johann Baptist Metz und Joachim von Soosten (3). Dazu stellt Petersen viele weitere neue Theologen und Theologinnen vor, deren Ansichten sie kurz, aber übersichtlich darlegt. Nicht zuletzt der Umgang mit der vielfach gedeuteten Erzählung vom am Galgen hängenden Jungen in Elie Wiesels „Nacht“ dient der Darstellung der verschiedenen Entwürfe. So zeigt sie, daß nur der protestantische Ethiker und Post-Schoa-Theologe Robert McAfee Brown auch den letzten Satz der Szene auslegt, wonach die Suppe an diesem Abend wie Leichnam schmeckte und woraus er den Schluß zieht, daß Gott selbst angesichts von Auschwitz Tod und Ohnmacht verkörpert.

Petersen widmet sich ausgiebig der Frage der Bedeutung des Leids innerhalb der christlichen Theologie und nimmt in sehr nuancierter Weise Stellung zu den verschiedenen Entwürfen. Sie zeigt, wie wichtig das Hören auf das Judentum für eine christliche Theologie nach Auschwitz ist, sie stellt sich auf die Seite von James E Moore, der die Mehrdeutigkeit von Kreuz und Auferstehung betont, die Schwierigkeit, nach Auschwitz von Auferstehung zu reden und dennoch diese Auferstehung als Hoffnung inmitten des Schmerzes sieht, und sie plädiert für eine von der Schoa berührte Christologie. In bezug auf die Gottesfrage stellt sie zurecht die Extrempositionen einer göttlichen Allmacht der Ohnmacht Gottes und des Leidens gegenüber. Sie zeigt, wie die Gottesbilder die Entwürfe bestimmen und würdigt diese kritisch.

Wenn überhaupt Kritisches zu diesem Buch zu sagen wäre, so, daß es kurz ausgefallen ist. Dies ist eher als Auftrag zu verstehen, noch weiter zu forschen und den einen oder anderen Ansatz noch pointierter herauszustellen. So fehlt bei Jürgen Moltmann trotz wichtiger Einsichten eine Darstellung seiner Trinitätstheologie als Schlüssel für seinen Zugang zum Leid. Es fehlen auch Zugänge einer „Protesttheologie“, deren Hauptvertreter auf jüdischer Seite David Blumenthal ist, dessen Buch „Facing the Abusing God. A Theology of Protest“ (Louisville 1993) im deutschen Sprachraum leider erst langsam entdeckt wird.

Gerhard Bodendorfer


Jahrgang 5/1998 Seite 62



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