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Avemarie, Friedrich / Lichtenberger, Hermann (Hg.

Bund und Tora

Zur theologischen Begriffsgeschichte in alttestamentlicher, frühjüdischer und urchristlicher Tradition (WUNT 92). J. C. B. Mohr, Tübingen 1996. 346 Seiten.

Die im Buchtitel präzise beschriebene Thematik gehört zu jenen Problemfeldern, welche den Übergang vom biblischen Israel zum Frühjudentum einerseits und das Herauswachsen des Urchristentums aus seiner jüdischen Mutterreligion andererseits zu begreifen suchen. Vor allem aus der neutestamentlichen Gesetzeskritik und den damit verbundenen Bemühungen um christliche Identitätsbildung gegenüber dem Judentum wurde vielfach in der christlichen Theologie eine ebenso scharfe Kritik an der Bundesreligion Israels. Demgegenüber ringen ökumenisch eingestellte neuere Untersuchungen der zentralen Begriffsfelder ,Bund und Tora‘ um ein adäquateres historisches und theologisches Verständnis.

Die vorliegenden Beiträge kreisen alle um das Verhältnis dieser beiden Leitbegriffe und suchen von ihrer spezifischen Fragestellung her einen verantwortlichen Zugang. Eine erste Gruppe von Beiträgen erschließt die Thematik von der hebräischen Bibel her. Heinz-Dieter Neef gibt einen Überblick über die atl. Bundestheologie und zeigt auf, daß es sich bei „Bund“ um einen unaufgebbaren Zentralbegriff handelt, während Walter Gross sich in einer eindringlichen Textanalyse von Jer 31,31-34 gegenüber der These vom „erneuerten“ klar für den „Neuen Bund“ entscheidet. Als „Gnadenbund“ steht dieser aber in einer gewissen Diskontinuität zur bisherigen Bundesgeschichte bes. deuteronomistischer Provenienz. Beate Ego zeigt, wie die Gestalt Abrahams im innerbiblischen Traditionsprozeß zum „Urbild der Toratreue Israels“ wird. Hingegen behandeln Anna Maria Schwemer und John R. Levison den für die weitere Rezeptionsgeschichte wichtigen Zwischenbereich der hellenistisch-jüdischen Literatur, wo beachtliche semantische Verschiebungen erkennbar werden (Bund — Testament, Gesetz — Seinsordnung). Hans-M. Rieger bietet eine kritische Würdigung der bahnbrechenden „Bundesnomismus-Theorie“ von Ed Parish Sanders. Zwei weitere Arbeiten verfolgen die begriffsgeschichtliche Weiterentwicklung von Bund und Gesetz/Tora im NT, wobei Lichtenberger von „Bund in der Abendmahlsüberlieferung“ handelt, während Gerbern S. Oegema jenen paulinischen Zentralsatz Röm 10,4 gegenüber den unterschiedlichen Interpretationen vom Gesetz als Ende oder als Ziel so zu verstehen sucht, daß anstelle des Entweder-Oder die Aussage von der „Erfüllung der Tora“ in Christus (257) gemeint sei. Daß es demnach historisch einen Doppelweg (Juden — Christen), theologisch aber nur einen „Heilsweg Christi“ gibt, dieser aber allein im eschatologischen Denkrahmen faßbar ist, wird die weitere Diskussion um die umstrittene Formulierung von Paulus auch nicht beenden. Es klingt zwar gut paulinisch, wenn Christus als „Ziel der Tora“ begriffen wird, „ihr Zentrum, ihre Erfüllung, ihr Wesen und der Schlüssel zu ihrem Verständnis“ ist (255), aber es bleibt noch immer Röm 9,4-5 mit der Betonung einer bleibenden Heilsprärogative für Israel, wozu für Paulus auch Bund und Tora gehören! Man hätte sich allerdings noch den einen oder anderen weiteren Beitrag zur paulinischen Torakritik, aber auch zum Toraverständnis Jesu gewünscht, das ja ebenso kontrovers heute diskutiert wird (vgl. nur Gerhard Dautzenberg, Peter Fiedler gegenüber Jürgen Becker u. a.).

Schließlich zeichnet Jörg Frey das Auseinandertreten von Bund und Tora im Hebräerbrief nach, dessen Position die Diastase von alter und neuer diatheke/Bund am weitesten vorantreibt, ohne aber gleichzeitig zahlreiche Kontinuitätselemente aufzugeben. Der Beitrag von Avemarie stellt „semantische Überlegungen zu berit in der rabbinischen Literatur“ an und läßt „Bund als Gabe und Recht“ verstehen. Die „rabbinische Bundestheologie“, die es in der Tat gibt, kann als weitere Bestätigung für die Konzeption von E. P. Sanders angesehen werden (213 ff.). Detaillierte Sach- und Stellenregister erleichtern schnelle Orientierung. Doch lohnt es, die einzelnen Beiträge in einem durchzuarbeiten, um die Vielfalt möglicher Zugänge und das darin dokumentierte breite ökumenische Einverständnis kennenzulernen.

Robert Oberforcher


Jahrgang 5/1998 Seite 124



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