Verlag z‘Rieche, Riehen 1996. 192 Seiten.
Die Autoren der „Erinnerungen aus den Jahren 1933-1948“ haben in zwei Basler Grenzgemeinden in den Archiven der Polizei und der Grenzwachposten geforscht. Lukrezia Seiler hat die Erinnerungen einiger Bewohner der beiden Dörfer und des angrenzenden Badischen sowie von Grenzwächtern und ehemaligen Flüchtlingen aufgezeichnet. Sie werden in bestimmte Zeitabschnitte gegliedert, so von 1933 bis zum Kriegsausbruch 1939 und von 1939 bis Kriegsende, teilweise bis zur französischen Besetzung des Badischen 1947. Als Einleitungen zu den Erinnerungsgesprächen gibt Jean-Claude Wacker jeweils einen leicht verständlichen Abriß der jeweiligen Situation in Deutschland und der Schweiz. Erlasse und Gesetze zur Flüchtlingsfrage und insbesonders die Behandlung und Einstufung der Juden werden aufgezählt. Eigentlich bereits Bekanntes, und doch stellt sich sofort wieder die Erschütterung und die Unfähigkeit des Nachvollzugs dieser Haltung ein. Man fragt sich wieder und wieder, wie können Menschen in einem Staat, dessen Verfassung mit den Worten „Im Namen Gottes“ beginnt, so engherzig und mitleidlos sein und nur ans eigene Wohlergehen denken. Zugegeben, die Zeit war auch für die Schweiz gefahrvoll, und die Angst ist ein häßlicher und böser Begleiter.
Im Unterschied zu den offiziellen Vorschriften zur Verhütung des Eindringens von Flüchtlingen und der „Verjudung“ waren die Grenzbewohner, meistens Bauern/Bäuerinnen, mitleidiger und halfen, wo sie nur konnten. Auch die sozialdemokratische Basler Regierung hielt sich nicht immer an die Weisungen des Bundes. Es gab auch Grenzwächter, die schon mal auf die andere Seite schauten, wenn sie auf dem Kontrollgang Flüchtlinge sahen. Ebenso fanden sich Fluchthelfer auf der deutschen Seite. Aus den Berichten erfährt man, wie das Elend der Flüchtlinge die Leute auf der „guten“ Seite aufwühlte, und wie froh sie waren, wenn sie den einen oder anderen retten konnten. Andererseits gab es auch ausgesprochene Nazis und Denunzianten. Das machte es für die Gutwilligen enorm schwer. Völlig sprachlos läßt den Leser hingegen der ungerührt geäußerte Satz, daß es eben darum gegangen war, Befehle auszuführen ohne nachzudenken, daß keine — wenigstens nachträgliche — Reue sich meldet. Daß auch 1996 noch immer in den gleichen Kategorien gedacht wird, ist unverständlich.
Eva Auf der Maur
Jahrgang 5/1998 Seite 133