Priesterlicher Widerstand im Landkapitel Donaueschingen 1933-45. Dold-Verlag, Vöhrenbach 1997. 224 Seiten.
Mit seiner Forschung hat Zahlten wiederum Feldarbeit für den Historiker, zumal für die Kirchengeschichte im Dritten Reich geleistet (vgl. Titel „Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein“ Tod im KZ-Dachau 1942, herausgebracht vom Verf. im Privatverlag 1992).
In Kap. 1 werden die Biographien geboten: Julius Meister, Heinrich Feurstein, Xaver Josef Maurer, Gottlieb Huber, Adolf Bernhard, Theodor Renner, Wilhelm Richard, Franz Kasper, Eduard Reichgauer, Hermann Hahn, Johann Vogt, Theodor Berberich. Kap. 2-8 behandeln die Themen: Priesterlicher Alltag, die zerrissene Volksgemeinschaft, Seelsorge zwischen Tradition und Reform, „Versuchsstation Schule“, Priester und Juden, Ein brennendes Predigtwort: „Unser Führer“, Dokumente — Ein Blick in die Zeit. Den Abschluß bilden Berichte von Zeitzeugen (Kap. 9) und schließlich die Vorstellung der Pfarreien des Dekanats Donaueschingen in Zahlen (Kap. 10).
Vergegenwärtigt man sich die Rolle der katholischen Geistlichen in jener Zeit, dann trifft für sie wie für die meisten im katholischen Klerus zu, daß sie für die braune Ideologie, im Unterschied zu einzelnen aus ihren Reihen und gewiß im Unterschied zu vielen in der evangelischen Pfarrerschaft, wenig anfällig waren. Allzu tief war der Graben zwischen der rassistischen Weltanschauung von Gut, Blut und Boden, aus arisch-germanischen Mythologien gezimmert, und einem Jahrhunderte alten Christentum auf dem gleichen Terrain. Das Christentum war zu unseren alemannischen Vorfahren gekommen und hatte sich im zähen Kampf gegen eine heidnisch-abergläubische Haltung durchgesetzt, war also in seinen Wurzeln erfahren und erprobt. Dagegen waren die Parolen der Ideologen und der Organisation der NSDAP im Dritten Reich, ihr „Mythos des 20. Jahrhunderts“ (A. Rosenberg) ein glatter Rückfall ins Heidentum.
Freilich muß man bei der Analyse der Feindschaft zwischen Kirche und NS-Staat nicht nur die Großwetterlage in Betracht ziehen, die Kontroverse gab auch vielen eine günstige Gelegenheit, die sich am christlichen Glauben rieben: am Erscheinungsbild der römisch-katholischen Kirche, an ihrer „Beherrschung der Seelen“ und überhaupt am kirchlichen Einfluß auf das öffentliche Leben. Dieser Einfluß war ja auch in einem heute unvorstellbaren Maß gegeben. Positiv gewendet hieß das, daß das katholische Kirchenvolk hinter seinen geistlichen Führern stand. Dies war ein Dorn in den Augen aller, die allein dem „Führer Adolf Hitler“ diese Führerschaft zubilligten; negativ gewendet muß gesagt werden, daß zwar in der Weimarer Reichsverfassung (1919) die Trennung von Staat und Kirche gesatztes Recht war, tatsächlich geschah aber in vielen Ortsgemeinden, was von der Kanzel auch „in politicis“ gepredigt wurde. In diesem Rahmen wirkten sie also, diese „Unbeherrschbaren“. Wo immer man das Buch aufschlägt, weht einem ihr selbstbewußter, überlegener Geist entgegen. Leicht war diese Haltung nicht einzunehmen, und es erforderte andauernde gespannte Wachsamkeit gegenüber den Organen der Partei und des immer mehr gleichgeschalteten Staatsapparats, auch der NS-Richterschaft. Neben den Geistlichen dürfen die engagierten Laienchristen jener Zeit nicht vergessen werden: Sie hielten treu an ihrem Glauben fest und solidarisierten sich mit dem Klerus. Die Rolle der Lehrerschaft war weniger aufrecht (Kap. 5).
Des Themas „Priester und Juden“ hat sich Maria Zahlten-Hall in Kapitel 6 „mit existentieller Leidenschaft“ angenommen. Herausgekommen ist ein Zeugnis, das zwar die Schuld der Christen ihren damaligen jüdischen Mitbürgern gegenüber nicht löscht, jedoch zu differenzierter Betrachtung auffordert und von der heutigen „moralisierenden Generation“ ernst genommen werden muß.
Das Buch ist lebendig geschrieben. Es verarbeitet eine immense Fülle von Zeitdokumenten und eignet sich, auch abschnittsweise, hervorragend für den Einsatz im fächerverbindenden Geschichts- und Religionsunterricht.
Alwin Renker
Jahrgang 5/1998 Seite 140