Royal Fireworks Press, New York 1995. 200 Seiten.
Schon einmal hat Inge Auerbacher einen weltweiten literarischen Erfolg erzielt. Mit „Ich bin ein Stern“ hatte sie, die letzte im badischen Kippenheim 1934 geborene Jüdin, ihre Kindheitserinnerungen an die Zeit während der Nazi-Herrschaft niedergeschrieben. Als Siebenjährige kam sie ins Konzentrationslager Theresienstadt. Im Alter von 11 Jahren wurde sie 1945 von sowjetischen Truppen aus dem Lager befreit. Seit 1946 lebt sie in New York. Auch ihre anderen literarischen Schöpfungen — mehr als 50 Gedichte — stehen in engem Zusammenhang mit der Schoa. Am bekanntesten davon wurde das während der Weltversammlung jüdischer Holocaust-Überlebender in Jerusalem im Jahre 1981 veröffentlichte Gedicht We shall never forget, das von der Komponistin Rosalie Commentucci-O‘Hara vertont wurde.
In Beyond the Yellow Star to America beschreibt Inge Auerbacher ihr Leben nach ihrer Befreiung aus Theresienstadt. In Bild und Text hat sie auch ihre Heimatgemeinde Kippenheim erwähnt. Es ist Zeitgeschichte und Autobiographie in einem. Aus dem Lager befreit, erlebte sie das besiegte und zerstörte Deutschland. Im Land ihrer Verfolger wollte sie nicht mehr leben. In den USA, ihrer Wahlheimat, wird aus dem Kind, das in Deutschland den Gelben Stern trug, eine Erwachsene mit einer neuen Identität. Nach dem College studiert sie Chemie. Doch schon bald wird sie literarisch tätig, um die Schoa auch für junge Menschen begreifbar zu machen. Sehr gelungen mischt sie Autobiographisches mit geschichtlichen Fakten, besonders mit den wechselnden politischen Verhältnissen in den USA im Verlauf der letzten 50 Jahre. Man verspürt, daß die Verfasserin nicht unberührt geblieben ist von der Politik ihres Landes, der Weltpolitik und von der Zeitgeschichte. Sie versteht es, überzeugend zu zeigen, daß menschliches Schicksal immer im Kontext zur globalen geschichtlichen Entwicklung steht. Doch vor allem bleibt gegenwärtig, daß sie erst zu einem glücklichen und erfüllten Leben gelangen konnte, nachdem sie den Gelben Stern endgültig abgelegt hatte. So ist das Buch auch eine Reverenz an Amerika, an das Land, das ihr „Sicherheit, Liebe und Respekt gab und die Chance, ihre Träume wahr werden zu lassen“. Das reichlich mit Bildern ausgestattete Buch, das auch Jugendliche anspricht, dokumentiert darüber hinaus die pädagogischen Ambitionen der Literatin, die stets den Kontakt zu jungen Menschen jeglicher Hautfarbe und Herkunft sucht. Es darf schon jetzt als wichtiger Beitrag zu einer Schoaliteratur gezählt werden, die einerseits Tragisches und Schreckliches aus der Vergangenheit beschreibt und aufarbeitet, andererseits aber Hoffnung geben will zum Leben in einer Welt, in der es möglich ist, daß Menschen ohne Haß und ohne Gewalt die Zukunft gestalten.
Martin Groß
Jahrgang 5/1998 Seite 205