Theologie nach Auschwitz. Pustet, Regensburg 1997. 226 Seiten.
Aus der Überzeugung heraus, daß Theologie nach Auschwitz nicht identisch sein kann mit Theologie vor Auschwitz, habe ich seinerzeit in einer „Programmskizze“ (Kirche und Israel 10, 1995, 8-23) versucht, für die angestammten Disziplinen der Theologie Anregungen zum Aufbau einer „Theologie nach Auschwitz“ zu geben. Dieses Ziel verfolgt auch das Werk „Als Gott weinte“. Nach dem Vorwort der Herausgeber kommt zunächst ein Abschnitt zum Thema Theologie nach Auschwitz — Problemhorizont mit Beiträgen von Peter von der Osten-Sacken, Clemens Thoma, Jürgen Moltmann und Petra Vad.
Der Hauptteil bringt kritische Reflexionen theologischer Fächer nach Auschwitz. Behandelt werden: Biblische Theologie (u. a. M. Görg, Gott mit euch, meine Lieben. Die Formel vom Mitsein Gottes in, vor und nach Auschwitz), Kirchengeschichtsschreibung nach Auschwitz (u. a. Manfred Eder, Der Kirchenhistoriker im Angesicht der Schoa), Systematische Konkretionen (mit Beiträgen von Eugen Biser, Der Verlust der Attribute. Die Antwort Jesu auf die Gottesfrage nach Auschwitz; Heinrich Fries, Auschwitz – das Golgotha unserer Zeit, u. a.), Praktisch-theologisches Nachdenken (u. a. Michael Langer, Auschwitz lehren? Prolegomena zu einer anamnetischen Religionspädagogik). Statt eines Nachworts bringen die Hg. den von J. B. Metz entworfenen Text Unsere Hoffnung. Für ein neues Verhältnis zur Glaubensgeschichte des jüdischen Volkes (aus den Beschlüssen der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland), den sie mit Recht als „die bisher entschiedenste und folgenreichste Stellungnahme der deutschen Kirche zur Katastrophe von Auschwitz“ bezeichnen. Damit liegt ein Werk von hohem Problembewußtsein, umfassender Literaturkenntnis und persönlichem Engagement vor. Der profunde und anspruchsvolle Beitrag von Ottmar Fuchs hat mich besonders beschäftigt, vor allem seine Bemerkungen zur Christologie nach Auschwitz. Sein großes Anliegen: Leidenssolidarität des Christus nicht bloß mit Israel, sondern auch mit allen Leidenden der Völker der Welt. Der sich mit allen Leidenden in der Welt solidarisierende Christus ist aber niemand anderer als der zur Rechten des Vaters sitzende „ewige Jude“ Jesus. Ein Jude solidarisiert sich mit allen Leidenden! Das Fach Kirchenrecht wird nicht behandelt. Müßte es aber z. B. nicht auch eine Kirchenstrafe geben für die von einem Kleriker begangene „Auschwitzlüge“? Auch die ökumenische Theologie wird nur kurz angesprochen.
Franz Mußner
Jahrgang 5/1998 Seite 211