Freiburger Rundbrief Freiburger Rundbrief
    Archiv Neue Folge > 1999 > 682  

Home
Leseproben

Inhalt Neue Folge
Archiv Neue Folge
1993/94
1995
1996
1997
1998
1999
2000

Inhalt der Jg. vor 1993
Archiv vor 1993

Gertrud Luckner
Bestellung/Bezahlung
Links
Mitteilungen
 
XML RSS feed
 
 
Display PRINT friendly version
Benz, Wolfgang (Hg.)

Jahrbuch für Antisemitismusforschung 4

Herausgegeben für das Zentrum für Antisemitimusforschung der Technischen Universität Berlin. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 1995. 360 Seiten.

Dieser 4. Band bietet, wie seine Vorgänger, ein breites Spektrum von Beiträgen. Der umfangreichste Teil „Antisemitismus und Rechtsextremismus“, enthält sieben Einzeldarstellungen. Drei davon sind historisch orientiert. Die kanadische Historikerin Mary Minty untersucht in Responses to Medieval Ashkenazi Martyrdom (Kiddush ha-Schem) in late Medieval German Christian Sources anhand mittelalterlicher deutscher Quellen, wie christlicherseits das Phänomen des „Kiddush ha-Schem“ wahrgenommen wurde und wie dies die Vorstellung vom Judentum beeinflußt hat. Mona Körte befaßt sich mit der „literarischen Obsession“ der Ahasverdichtungen in der Literatur des 19. Jahrhunderts zur Gestalt des „ewigen Juden“. Axel Schildt untersucht in Radikale Antworten von rechts auf die Kulturkrise der Jahrhundertwende die Entstehung einer „Neuen Rechten“ in der Gesellschaft des Kaiserreichs bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die Darstellung hätte noch schärfere Konturen durch die Beiziehung zeitgenössischer jüdischer Literatur erhalten können. Zwei empirische Sozialstudien vermitteln Einblicke in die Situation der neuen Bundesländer: Struktur und Ausmaß des Antisemitismus in der ehemaligen DDR und Wie sympathisch sind uns die Juden?, eine Untersuchung der Einstellung deutscher Studenten in West und Ost. Dem sozialpsychologischen Phänomen des „demonstrativen Nationalstolzes“ widmet Michael Kohlstruck die Abhandlung Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. Die Untersuchung von Juliane Wetzel über Antisemitismus und Rechtsextremismus in Italien weist auf Unterschiede, Analogien und Beziehungen des „Movimento Sociale Italiano“ und der „Neuen Rechten“ zur deutschen Szene hin.

Der zweite Abschnitt, „Minoritätenkonflikte“, bringt mit dem Aufsatz Polizei und Presse eine Untersuchung zum Antiziganismus am Beispiel der Berichterstattung über Roma und Sinti. Die Verarbeitung von Polizeipressemitteilungen in lokalen Tageszeitungen in den Regionen Dortmund, Köln, Mainz/Wiesbaden und Darmstadt gibt Irina Bohn, Franz Hamburger und Kerstin Rock Anlaß zu der Schlußfolgerung, daß die „tatsächliche Durchsetzung des verfassungsmäßigen Diskriminierungsverbots mehr als überfällig“ ist. Den umfassenden Komplex des deutschen Staatsbürgerrechts und Ausländerrechts untersucht der Staats- und Verwaltungsrechtler Professor Hans-Peter Schneider in Rechtsprobleme des solidarischen Zusammenlebens mit Ausländerinnen und Ausländern. Schneider spricht sich darin für grundlegende Reformen aus und bemerkt abschließend, daß rechtliche Regelungen zwar wenig an der tatsächlichen Einstellung der Bevölkerung ändern könnten, aber doch „nicht unerheblich zur Bewußtseinsbildung und Bewußtseinsveränderung“ beitragen.

Der dritte Abschnitt, „Nationalsozialismus, Verfolgung, Holocaust“, umfaßt drei Beiträge, von denen besonders die Untersuchung von Cornelia Esser über Die Alchemie des Rassenbegriffs und die Nürnberger Gesetze Beachtung verdient. Er dekuvriert nachhaltig den wissenschaftlichen Obskurantismus rassenbiologischer Denkmuster. Ein bisher kaum wahrgenommenes Phänomen, wie der nationalsozialistische Justizapparat auf Äußerungen der Bevölkerung über Kenntnisse vom Genozid an den Juden reagiert hat, wird mit aufschlußreichen Fallbeispielen von Bernward Dörner in der Abhandlung Justiz und Judenmord dargestellt. Den Einsatz deutscher Polizeikräfte untersucht Jürgen Matthäus in seinem Beitrag ,Reibungslos und planmäßig‘. Die zweite Welle der Judenvernichtung im Generalkommissariat Weißruthenien (1942-1944). Drei Buchbesprechungen stellen neuere Arbeiten zur Geschichte des amerikanischen Antisemitismus, neuere Literatur zum Thema „Revisionismus“ und ein Lesebuch zum jüdischen Widerstand vor. Schließlich dokumentiert der Band die Denkschrift über die Behandlung der Juden in der Reichshauptstadt auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens vom Mai 1938, die von der Berliner Gestapo für Goebbels ausgearbeitet worden war. Der Band schließt mit einem Bericht über Anti-Semitism in Hungary 1990-1994.

Gottfried Mehnert


Jahrgang 6/1999 Seite 133



top