Materialien und Kopiervorlagen für Schule und Gemeinde. Calwer Verlag, Stuttgart 1998. 107 + 100 Seiten.
Der neue „Grundkurs Judentum“ läßt sich von der Überzeugung leiten, daß das von allen christlichen Kirchen angestrebte neue Verhältnis zum Judentum nur auf der Grundlage von Kenntnis und Verständnis gedeihen kann. Diesem Ziel dient zunächst die kompakte Einführung „Der jüdische Glaube“ durch Rabbiner R. Gradwohl s. A. (vgl. FrRu 5[1998]315); darauf aufbauend werden (für Christen wichtige) Zusatzinformationen, Vorschläge für Tafelbilder und Arbeitsblätter, Erläuterungen des reichhaltigen Anschauungsmaterials sowie differenzierte methodische Hinweise zur Erarbeitung mit den Schülern geboten. Große Bedeutung wird der Geschichte der Juden bis in die Gegenwart beigemessen, und das mit guten Gründen: einerseits gehört sie zu den unverzichtbaren Elementen jüdischer Identität, anderseits wurde jüdische Geschichte allzu oft zur Leidensgeschichte verengt, in der Juden ausschließlich als Opfer, als Objekte erschienen; demgegenüber verdeutlicht der „Grundkurs“ auch die vielfältigen positiven Rollen, in denen Juden als Kulturträger, als Ärzte und Wissenschaftler ihre jeweilige Umgebung bereichert haben.
Daß hier nicht nur sachkundige, sondern auch pädagogisch kompetente Autoren am Werk sind, zeigt sich in der verständlichen Sprache und übersichtlichen Darstellung, in der Gleichgewichtung von Sachinformation und Unterrichtshilfen (ca.100 Kopiervorlagen), in der Konkretisierung von Pauschalaussagen wie „Jesus war Jude“ anhand neutestamentlicher Texte sowie in der Thematisierung von Vorurteilen und Mißverständnissen (z. B. in bezug auf das Schächten, auf die Verantwortlichkeit für den Tod Jesu, auf das im christlichen Religionsunterricht so beliebte „Nachspielen“ der Sederfeier, aber auch auf den Einsatz antisemitischer Bilder und Texte, die oft das Gegenteil der intendierten Ziele bewirken).
Trotz aller Sorgfalt seitens der Autoren wie des Verlags könnten einige Details für eine Neuauflage korrigiert bzw. überdacht werden: Die Schreibweise Ibn Gabriol (richtig: Gabirol) geht wohl ebenso auf einen Druckfehler zurück wie die Datierung der Römerherrschaft ab 163 v. Chr. (richtig: 63 v. Chr.). Die Reduzierung des nachexilischen Judentums auf die „Jerusalemer Kultgemeinde“ ist zwar ein geläufiger Topos in der evangelischen Theologie, greift jedoch in der Sache zu kurz. Obwohl in der Sachinformation (99) wie in der zugehörigen Kopiervorlage (73) korrekt vermerkt ist, daß das Land erst nach dem Bar-Kochba-Aufstand (132-135 n. Chr.) von den Römern in „Palästina = Philisterland“ umbenannt wurde, wird diese Bezeichnung diffus verwendet (z. B. S. 49 schon für die Zeit Esras und Nehemias); damit wird die polemische Zielsetzung der römischen Umbenennung — die Verbindung der Juden zu ihrem Land zu tilgen — verwischt. Auch das ist gängiger Brauch in christlichen Unterrichtsmaterialien; angesichts aktueller politischer Implikationen des Begriffs „Palästina“ sollte das Land jedoch historisch korrekt benannt werden. Diese kritischen Anmerkungen schmälern die Qualität des Werkes nicht. Wer sich über das Judentum zur eigenen Information oder zur Weitervermittlung kundig machen will, findet hier eine kompetente, praxisnahe Hilfe auf aktuellem Kenntnisstand, die sich dank des differenzierten Niveaus der Medien gleichermaßen für Schule wie Erwachsenenbildung empfiehlt.
Hildegard Gollinger
Jahrgang 6/1999 Seite 140