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Gertrud Luckner
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Gradwohl, Roland / Petri, Dieter / Thierfelder, Jörg / Wertz, Rolf

Grundkurs Judentum

Im Dialog. Kurs Religion. Für die Sekundarstufe II. Hg. von Gebhard Neumüller. Band 4: Kösel Verlag, München 1996. 123 Seiten.

Mit diesem Band setzt der bekannte Religionspädagoge Herbert Jochum seine jahrelange Arbeit für eine sachgemäße Darstellung des Judentums im Religionsunterricht fort. Das umfangreiche Arbeitsbuch geht dem belasteten Verhältnis des Christentums zum Judentum von den Anfängen der Geschichte bis zur Schoa nach und postuliert die Gegenwart als Zeit der Umkehr. Religionslehrer/innen erhalten hier eine klare Legitimation der Thematik und nützliche didaktische und methodische Anregungen für ihre Arbeit. Die vielen Übersichten sind prägnant und hilfreich, die kenntnisreich ausgewählten Materialien führen in die thematischen Schwerpunkte bestens ein, die Bilder der Ecclesia und Synagoge erschließen die Dimensionen des kirchlichen Antijudaismus. Wahrscheinlich betritt dieser Band in vielen Einzelheiten auch für die meisten Religionslehrer/innen Neuland.

Trotzdem erheben sich einige Fragen grundsätzlicher Art. Der Autor will durch eine Darstellung der historischen Wirklichkeit einen Läuterungsprozeß der Kirche in Gang bringen. Am Ende muß dann eine Kirche stehen, die sich im Verhältnis zum Judentum neu definiert und aus dem Bekenntnis ihrer langen Schuldgeschichte lebendige Impulse für die Zukunft gewinnt. Die Thematisierung ekklesiologischer Fragen findet im Unterricht oft überhaupt nicht mehr statt oder stößt auf die allergrößten Schwierigkeiten. Die Ablehnung der Kirche wird durch eine Betrachtung der christlich-jüdischen Vergangenheit eher noch bestärkt.

Zweifellos ist das Thema „Monotheismus“ bei der Verhältnisbestimmung beider Größen zentral. Aber man müßte den entsprechenden Abschnitt (14 f.) um eine Diskussion erweitern, wie sie jüngst von Jan Assmann in seinem Buch „Moses der Ägypter“ angestoßen wurde. Er wirft dem jüdischen Monotheismus — ähnlich wie dem ägyptischen unter Echnaton — vor, erstmals die verhängnisvolle Unterscheidung zwischen „wahrer“ und „falscher“ Religion zu machen und nicht sehen zu wollen, daß die vielen Götter („Götzen“) der antiken Religionen oft nichts anderes waren als Manifestationen der einen Gottheit. Diese Religionen ließen grundsätzlich die Möglichkeit zu, ihre Gottheiten in die Gottheiten anderer Völker zu „übersetzen“, vor allem wenn sie zu einer Kosmotheologie gehörten. Damit haben sie eine große kulturelle Leistung vollbracht und eine beispielhafte Toleranz gezeigt. Auch die biblische Diffamierung der Bilder als Idolatrie beruhe eher auf einem Mißverständnis der ägyptischen Bilder.

Die Probleme der Schüler/innen mit beiden Religionen sind kaum bedacht. Die Fragen nach „Gott“, „göttlicher Leitung der Geschichte“, „Erwählung“, „Bund“ oder „Erlösung“ lassen sich nicht nur in ihrer christlich-jüdischen Gemeinsamkeit oder Differenz behandeln. Sie sind eher grundsätzlicher Art. So sehr in diesem Band eine notwendige Korrektur im christlichen Verständnis des Judentums geleistet wird, so wenig sind die kritischen Anfragen der Schülerlinnen an den theologischen Grundbestand beider Religionen bedacht. Als nächsten religionspädagogischen Schritt bräuchten wir eine fundamentaltheologisch neu reflektierte Verhältnisbestimmung von Judentum und Christentum, die den Abbruch religiöser Traditionen einbezieht. Kirchenkrise, Synagogenkrise, Glaubenskrise, Menschenkrise, Ethikkrise und Gotteskrise müßten darin ständig als unser gegenwärtiger Verständnishorizont mitbedacht werden, damit die Schüler/innen nicht den (falschen) Eindruck gewinnen, wir arbeiten bei diesem Thema zwar die Vergangenheit auf, beachten aber nicht ihre Probleme mit Religion und Glauben.

Werner Trutwin


Jahrgang 6/1999 Seite 141



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