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Adler, Jeremy (Hg.)

H. G. Adler — Der Wahrheit verpflichtet

Interviews, Gedichte, Essays. Bleicher Verlag, Gerlingen 1998. 247 Seiten.

Adler, 1910 in Prag geboren, studierte Literatur, Philosophie, Psychologie, Medizin und Kunstgeschichte. 1942 wurde er nach Theresienstadt, danach nach Auschwitz deportiert. Nach seiner Befreiung emigrierte er 1947 nach London, wo er nicht nur als Historiker und Soziologe, sondern auch als Lyriker und Romancier bekannt wurde. Zehn Jahre nach H. G. Adlers Tod (London, 20. August 1998) stellt ihn sein Sohn Jeremy Adler als Dichter und Denker vor und als Autor des „Theresienstädter Bilderbogens“ (63-87), einer bisher größtenteils unbekannten Textsammlung, die ein breites Spektrum aus den Wissensgebieten und aus dem großen Reichtum der persönlichen Erfahrungen H. G. Adlers wiedergibt. Diese Texte widerlegen den Ausspruch, „daß es nach Auschwitz eigentlich keine Kunst und keine Musik mehr geben kann“. Adlers Werke wurden lange nicht verstanden. Wer könnte auch behaupten, Theresienstadt und Auschwitz zu „verstehen“? Dabei war H. G. Adler einer der bedeutendsten Prager Exildichter. Adlers literarische Laufbahn nahm 1942 ein jähes Ende. Auch nach seiner Emigration blieb er lange Zeit vergessen. Jeremy Adler, selbst ein bedeutender Wissenschaftler und Autor, hat hier eine interessante Textauswahl aus dem Schaffen seines Vaters bekannt gemacht, darunter den erstmals veröffentlichten „Theresienstädter Bilderbogen“, einer Konzentration von unsagbarem Leid, von erwürgten Seufzern und verschüttetem Geschrei. Seine Gedichte, wie z. B. „Ankunft der Greise“, sind erschütternd in ihrer Leid-Beladenheit:

Der Hof schwillt grell voll stampfendem Gedränge,
Schon keucht das rasselnde Gefährt
und schwankt, von Knochenfracht beschwert,
Unfaßbar einsam in beklemmender Enge (66).

1958 erhält H. G. Adler für Theresienstadt 1941-1945 den Leo-Baeck-Preis. 1974 wird ihm, als einem der bedeutendsten Zeitzeugen, die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen. In „Nachruf bei Lebzeiten“ (7) empfindet es H. G. Adler als „eine Auszeichnung, als älterer Mann, so über mich schreiben zu dürfen, als wäre ich schon tot“.

Maria Stiefl-Cérmak


Jahrgang 6/1999 Seite 203



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