Ein jüdisches Überlebensschicksal in Jugoslawien 1941-1947. Mit einer Dokumentation. Hrsg. von Erhard Roy Wiehn/Jacques Picard. Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 1994. 288 Seiten.
Zdenko Levental (geboren 1914, heute lebt er in Bern) zeichnete seine Erlebnisse auf, weil er dies als Überlebender für seine Pflicht hält (9-12). Er schildert seine Jugend in Zagreb, wo er sein Medizinstudium absolvierte und auch im ,Haschomér ha-Za‘ir‘ aktiv war. Kurz vor seinem Studienabschluß fielen die Achsenmächte am 6. April 1941 in Jugoslawien ein. Mit einem Rache-Blitzkrieg sollte das Land für seinen Bündnisbruch, bedingt durch den Sturz der Regierung Cvetkovic-Macek, „bestraft“ werden. Die Aufsplitterung des Königreiches führte zur Gründung des ,Unabhängigen Staates Kroatien‘ unter dem nazifreundlich gesinnten Ustascha-Regime. Repressionen gegen Juden und Serben, mit frappanter Ähnlichkeit zu ihren deutschen Pendants, folgten. Der Autor berichtet, wie es ihm dank seines Studiums in letzter Minute gelang, bei der Bekämpfung der endemischen Syphilis in Bosnien eingesetzt zu werden — eine Art Lebensversicherung für ihn und seine Familie — und wie er sich von dort zu Titos Partisanen absetzte. Trotz Schilderungen persönlicher Erfahrungen kann in dieser „kollektiven Erinnerungschronik“ (10) eine gewisse Distanz zum Leser nicht überwunden werden.
Im zweiten Teil sind verschiedene einschlägige Quellen zu einer Dokumentation zusammengefaßt (171-274): Fotos, Briefe, deutsche und kroatische Dokumente, Zeitungsartikel, Karten und Berichte von Betroffenen und Historikern. Von besonderer Bedeutung ist der Bericht von Dragutin Rosenberg (ehem. Vizepräsident und Sprecher der Jüdischen Kultusgemeinde Zagreb) an Saly Mayer (bis 1943 Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes) und an das „American Jewish Joint Distribution Committee“. 1944 im Schweizer Exil verfaßt, beleuchtet Rosenberg darin die Lage der jugoslawischen Juden anders als Levental. Er schildert, wie sich die jüdische Gemeinde für die Inhaftierten einsetzte (215-253). Es gelang ihr sogar, teilweise die Verwaltung über zwei Lager zu erkämpfen, um so die Gefangenen bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz so gut wie möglich vor der Grausamkeit der Lagerleitung zu schützen. Andere Beiträge sind eher enttäuschend, sei es weil ihr Titel Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden (Brief Stefan Zweigs an Levental, 179), oder weil sie nur in serbokroatisch wiedergegeben werden. Interessant hingegen sind die aktualitätsbezogenen Berichte über Franjo Tudjmans Revisionismus (165-168, 274).
Salome Schöll
Jahrgang 6/1999 Seite 213