Studien zur Rolle der Juden in der Theologie des Eusebius von Caesarea. Walter De Gruyter, Berlin/New York 1999. 324 Seiten.
Das vorliegende, sorgfältig gearbeitete Buch stellt zweifellos eine Bereicherung der Kirchenväterliteratur dar, ganz besonders für das Verhältnis zwischen Juden und Christen im 4. Jahrhundert. Die Entfremdung zwischen den beiden war damals noch nicht so total, freilich aber wurde dann ihr Grund gelegt, denn mit der Konstantinischen Wende erfolgte die allmähliche Ausgrenzung der Juden auf allen Gebieten. Euseb hat dafür christliche Grundlagen mitgeschaffen, wenngleich er kaum ein politisches Interesse besaß. Juden hat er zweifellos gekannt, denn Caesarea war eine geistig ungemein lebendige Stadt der Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen. Politisch haben sich damals offenbar noch keine Feindschaftsverhältnisse ergeben — ob man von „relativer Toleranz“ sprechen kann, sei dahingestellt — wohl aber Konkurrenz, da das Judentum zur Zeit Eusebs durchaus missionarisch war, was natürlich zu Spannungen führte.
Das Hauptwerk des Euseb, „Praeparatio“ und „Demonstratio evangelica“, soll das Heilshandeln Gottes auf dem Hintergrund des Logos-Christus beweisen. Im 1. Teil wird die Überlegenheit der alttestamentlichen jüdischen Glaubensvorstellungen und Schriften gegenüber denen der Heiden dargestellt, im 2. Teil die Abgrenzung von den Juden. Euseb knüpft an die Hebräische Bibel in einer vierfachen begrifflichen Differenzierung an. Da er das hohe Alter des Christentums für ganz wesentlich hält und als ein Argument für die ungeheure Überlegenheit über die Heiden benutzt, unterscheidet er scharf in folgender Reihenfolge: Hebräer, Heiden, Juden, Christen. In den Christen sieht Euseb auch Hebräer, weil er ja die Hebräische Bibel als eine Vorausschau auf Christus verwendet. Abgesehen davon hielt er diese Urreligion der Hebräer noch für gesetzesfrei. Dabei klammert er die Mose-Offenbarung keineswegs aus und versucht, eine bleibende Kontinuität herauszuarbeiten, wobei er zumindest einzelne Juden noch gelten läßt. Andererseits jedoch interpretiert er die Tempelzerstörung und die Diaspora der Juden als Strafe Gottes, und diese dient ihm für die ,Richtigkeit‘ des Christentums. Damit hat die jüdische Religion für Gegenwart und Zukunft keine Berechtigung mehr, wenn auch die Verheißungen Gottes an Israel nicht prinzipiell rückgängig gemacht sind. Es bleibt für ihn die Möglichkeit der Zuwendung der Juden zu Jesus Christus, weil die Zustimmung zum Heil in Jesus Christus bleibende Bedingung für die Heilsteilhabe überhaupt ist. Die bleibende Erwählung Israels aufgrund von Römer 9,11 spielt bei ihm keine Rolle, wenngleich im allgemeinen seine Diktion auch moderater ist als bei anderen Kirchenvätern. Obwohl Euseb den nicht christusgläubigen Juden keine Gegenwart und Zukunft zubilligt und er sie anderseits nicht als prinzipiell verworfen ansieht, bleibt seine Haltung gegenüber den Juden zwiespältig. Denn sein Denken enthält durchaus auch triumphale Züge, wenn er die Juden wegen ihrer politischen Niederlagen abschreibt und als von Gott bestraft ausgibt. Es hat sich dann auch später als unheilvoll erwiesen, wenn man Gottes Wirken allzu schnell unmittelbar an historischen Ereignissen abliest. Euseb hat damit zweifellos die bisher bereits vorhandenen Vorurteile gegen Juden argumentativ bekräftigt. Insofern kann die Beschäftigung mit Euseb dazu dienen, sich zu vergegenwärtigen, daß eine Christologie keine antijudaistischen Züge tragen darf. Euseb kann hier als abschreckendes Beispiel dienen.
Die verdienstvolle Arbeit von Jürg Ulrich ist in ihrer klaren Differenzierung wesentlich für das Verständnis des Verhältnisses von Juden und Christen im 4. Jahrhundert, weil gerade hier sich eine christliche Haltung verfestigt, die dann wenig später zu unheilvollen Gesetzen führte, die eben auf dem Hintergrund des Denkens solcher Kirchenväter beruhte. Ulrich zeigt auf, daß bei Euseb die später leider oft festzustellende Gehässigkeit fehlt, aber die theologische Beseitigung und die Negativ-Folie auch durch ihn mitbegründet ist.
Ernst Ludwig Ehrlich
Jahrgang 6/1999 Seite 283