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Erler, Hans / Ehrlich, Ernst Ludwig / Heid, Ludger (Hg.)

„Meinetwegen ist die Welt erschaffen“

Das intellektuelle Vermächtnis des deutschsprachigen Judentums. 58 Porträts. Campus Verlag, Frankfurt/Main 1997. 554 Seiten.

Ausgehend von einer Gedenktagung der Konrad-Adenauer-Stiftung 1995 entstand das Projekt dieses schönen Werkes. In fast sechzig Porträts jüdischer Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts wird ein großer Bogen gespannt. Je nach Biographie, Naturell, Begabung, beruflicher Position, politischem, kulturellem, religiösem Engagement entstand jeweils ein bedeutender und unverzichtbarer Beitrag jüdischer Zeitgenossen der deutschsprachigen Bevölkerung. Das Buch zieht Bilanz zum jüdisch-deutschen Kulturerbe, das — an der Schwelle in ein neues, hoffentlich friedlicheres und humaneres Jahrtausend — für alle Interessierten in meist knappen Lebensbildern dargeboten wird. Freilich ist es auch der Grundtenor dieses Werkes, daß diese Epoche des deutschen Judentums zu Ende ist, gewaltsam zu Ende gebracht in einer dämonischen Explosion des Bösen innerhalb eines Kulturvolkes. Die Herausgeber haben jedoch die Hoffnung, daß der Reichtum der ideologiekritischen Analysen, Theoriebildungen und Lösungsangebote jener hochinnovativen intellektuellen Judenschaft der Menschheit erhalten bleiben kann, um einer Wiederholung solcher Menschheitskatastrophen wirksam vorzubeugen.

Die Einzelporträts sind in thematischen Gruppen zusammengefaßt, welche folgende Themenbereiche abdecken: Religion und Aufklärung, Erkenntnistheorie und konkrete Utopie, Sozialpsychologie und aufrechter Gang, Sozialforschung und nicht-autoritäre Humanität, die verfaßte Freiheit, Konkurrenz und utopische Vernunft, wider die Banalität des Bösen. Jedes Problemfeld wird durch ein umfangreiches Eröffnungsporträt zu Martin Buber, Karl R. Popper, Erich Fromm, Theodor W. Adorno, Hugo Preuß, Franz Oppenheim, Hannah Arendt eingeführt und charakterisiert. Es sind in diesem Werk alle großen Namen vertreten, natürlich auch die ganze tiefenpsychologische und soziologische sowie kulturphilosophische Garde, mit einem beachtlichen Prozentsatz von Frauen (z. B. H. Arendt, Jeanne Hersch, Margarete Susman, Melanie Klein). Die Einzeldarstellung verbindet jeweils den biographischen Hintergrund mit der intellektuellen Entfaltung, den kulturellen Spitzenleistungen und ihren literarischen Werken. Auf diese Weise entsteht in bedeutsamer und durchwegs auch tragischer Gegenbeleuchtung eine andere Art deutscher Kulturgeschichte, zumal sehr viele Persönlichkeiten sich längst als assimiliert verstanden und oft erst durch die antisemitisch-nazistische Aggression sich auch ihrer (religiösen) jüdischen Wurzeln besannen. Man muß den Herausgebern danken für dieses beeindruckende und gehaltvolle Werk.

Robert Oberforcher


Jahrgang 6/1999 Seite 290



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