Kommentar zu Texten aus dem Buch Ijob, der jüdischen Tradition und zum Problem der Theodizee, für den Hebräischunterricht. Reiner Padligur-Verlag, Hagen 1997. 68 Seiten.
Nach der Ijob-Erzählung, einer „Ummantelung“, die das Unglück des Ijob und dessen Wiederherstellung zum Thema hat, beginnt die Ijob-Dichtung in den berühmten drei Redengängen zwischen Ijob und seinen drei Freunden, zwischen Elihu und Ijob und zwischen Gott und Ijob. Im ersten Redegang stimmt Ijob zunächst die Klage über sein Geschick und den es bewirkenden Gott an (3). Später geht er zur formalen Anklage Gottes über (9-10). Währenddessen suchen Ijobs Freunde sein Schicksal noch aus der allgemeinen menschlichen Schwäche und Hinfälligkeit (4-5) oder als Folge unabsichtlicher Verfehlungen zu erklären (8; 11) und empfehlen ihm die Hinwendung zu Gott. Doch Ijob kann dies nicht hinnehmen und unternimmt im zweiten Redegang drei Versuche, Gott zum Eingreifen zu bewegen. Er fordert zu einem Rechtsstreit heraus (12-14), er appelliert an ihn als den Rächer von Bluttat und Unrecht (16-17) und ersucht ihn als Schutzzeugen und Anwalt („Löser“) um Hilfe gegen die ihn verfolgenden Freunde und die Verurteilung durch eine unwissende Nachwelt (19). Demgegenüber gehen die Freunde einen Schritt weiter. Sie beschuldigen Ijob indirekt, ein Frevler zu sein und warnen ihn wegen des drohenden Endes (15; 18; 20). Dieser Tat-Ergehen-Zusammenhang veranlaßt Ijob, die Anerkennung seiner Unschuld durch Gott in unmittelbarer Auseinandersetzung auf dreifache Weise vorzubereiten. Er kann die Lehre vom unbedingten Unheil für den Frevler empirisch widerlegen und damit beweisen, daß seine Leiden durchaus nicht seine Schuld bezeugen (21). Er fordert (22) von Gott einen Prozeß zum Erweis seiner Unschuld (23). Ijob hat nichts gegen die Doktrin, doch alles dagegen, daß die Freunde an ihm die „Lehre“ bewahrheitet sehen (24). Ein „vierter Redegang“ ist kompositorisch so angelegt, daß die große Rede Ijobs mit einer Unschuldsbeteuerung/Reinigungseid (26-31), die Elihu-Reden (32-37), ein erneuter Dialogversuch und die Gottesreden (38-41) ein Ganzes bilden. Gott antwortet Ijob (38-41). Ijobs neue Gotteserfahrung (40; 42) ist die Lösung des existentiellen Problems des Buches Ijob (Fohrer, zustimmend Ebach).
Unter dem Gesichtspunkt, sprachlich nicht zu schwierige und doch für die Aussagen der Ijob-Dichtung wichtige Texte zu präparieren bzw. zu kommentieren, hat Böning eine Übersetzungshilfe geboten, die unmittelbar auch in die Hand von Hebräisch-Lernenden gegeben werden kann. Über den sprachlichen Teil hinaus konsultierte Böning die einschlägigen Kommentare, unter denen der neueste von Jürgen Ebach 1995/96 (vgl. S. 49 f.) einen herausragenden Platz einnimmt. Neben der Einführung in das Buch Ijob finden sich zusätzlich ausgewählte und präparierte Texte aus Midrasch und Talmud. Schließlich bietet Böning u. a. einige klassische Texte zur Theodizee. Der Text aus Hans Jonas, Der Gottesbegriff nach Auschwitz (1987), hat eine Diskussion eingeläutet, die in den vergangenen Jahren eine schier unübersehbare theologische Literatur zum Vorschein brachte. Insofern ist Bönings Heft doppelt hilfreich, da es nicht nur im Hebräischunterricht den Zugang zum Originaltext freimacht, sondern auch den Verstehenshorizont abschreitet, innerhalb dessen das Menschheitsproblem Leid nach der Seite der Philosophie wie der Theologie und des Glaubens artikuliert wird. In der gleichen Konzeption und Aufmachung hat Böning Hefte zu Ruth, Elija, Kohelet und Esther sowie zum Pesachfest in der Tora, der Mischna und der Haggada vorgelegt. Es versteht sich von selbst, daß diese schwierige Lektüre der Bibel, die auch mit vielen Konjekturen arbeiten muß, von Böning nicht aus dem Streit der Gelehrten herausgehalten werden kann.
Alwin Renker
Jahrgang 7/2000 Seite 45