Derselbe
Genesis II/1. Vätergeschichte I. Gen 11,27-22,24
Derselbe
Genesis II/2. Vätergeschichte II. Gen 23,1-36,43
Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1996, 1997 und 1999. 292, 222 und 474 Seiten.
Der Bonner Alttestamentler Horst Seebass hat mit seinem bisher in drei Teilen vorliegenden Genesis-Kommentar einen deutlichen Akzent in der Pentateuchforschung gesetzt. Der historisch-kritischen Methode verpflichtet, gelingt es dem Autor in faszinierender Weise, die Botschaft des biblischen Endtextes für heutige Leser/innen aufzuschließen. Die klassische Methode der Quellenscheidung gelingt Seebass überzeugender und plausibler als Walther Zimmerli und Claus Westermann. Die klassischen Quellen werden als Quellen auf Nachprüfbarkeit rekonstruiert, nicht ohne vorher die Pentateuch-Hypothesen der vergangenen Jahrzehnte kritisch beleuchtet zu haben. Neben J, E, P nimmt Seebass noch viel ältere Traditionen/Motive an, die sich eventuell zu einer durchschimmernden Basisschrift aus der davidischen Zeit zusammenfassen ließen, die vor J zu datieren wäre (vgl. die Kommentierung zu Gen 15). Auf jeden Fall, so Seebass, müsse man mit einer „vorprophetischen Profilierung des Jahwismus“ rechnen (Band I, S. 34). Die Konsequenz hieße dann, J und E zeitlich zueinander zu rücken und in die ersten Jahrzehnte des 8. Jahrhunderts zu datieren. Faszinierend ist die Arbeit von Seebass dann, wenn er einzelne Erzähleinheiten voneinander abgrenzt und die literarische Schichtung und Gliederung herausarbeitet.
In einem zweiten Schritt erschließt sich dann die Form bzw. Gattung, wobei es hilfreich gewesen wäre, den sogenannten Sitz im Leben und den Adressatenkreis der Texte näher zu bestimmen, auch wenn dies dem gängigen Trend der Pentateuchforschung entgegensteht. Vor allem Religionspädagogen benötigen, um didaktische und methodische Entscheidungen am Text als Medium (Kommunikationsprozeß in Lernprozessen) treffen zu können, bestimmte Verläßlichkeiten in der Exegese. Der dritte Schritt umfaßt Fragen der Überlieferungsgeschichte, Motiv- und Traditionenbildung und teilweise auch Bereiche, die der klassischen Literarkritik zuzuordnen sind. Wichtig ist, daß Seebass das Erste Testament nicht in einer religionsgeschichtlichen Perspektive, sondern konsequent als Teil der zweigeteilten christlichen Bibel auslegt und den Blick ungemein erfrischend gegen die traditionelle christliche Rezeption gerade der Texte aus der Urgeschichte schärft. Mit Bedacht setzt sich Seebass hier immer wieder mit dem Genesiskommentar des großen Rabbiners Benno Jacob aus dem Jahre 1934 auseinander. Als Konsequenz dieser Lesart rückt die innertestamentliche Traditionsgeschichte und auch die kirchliche Auslegungsgeschichte der Texte in den Blick. Seebass nimmt dabei auch die neuen Entwicklungen der Kanonforschung auf und kann zeigen, daß der kanonische Kontext der Bibeltexte zu einem theologischen Kriterium avanciert, das manchen neuen Blickwinkel öffnet (z. B. die Auslegungen zu Gen 4 und 11, Teil I; Gen 12 und 15, Teil II/1; Gen 29, Teil II/2). Dem Kommentar von Seebass ist eine weite Verbreitung im religionspädagogischen und praktisch-theologischen Bereich zu wünschen.
Wilhelm Schwendemann
Jahrgang 7/2000 Seite 141