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Cunz, Martin

Die Fahrt des Rabbi Nachman von Brazlaw ins Land Israel (1798-1799)

Herausgegeben in der Serie Texts and Studies in Medieval and Early Modern Judaism, Nr. 11. Mohr Siebeck, Tübingen 1997. 392 Seiten.

Bei dem vorliegenden Titel handelt es sich um eine Doktorarbeit, die am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung der Universitären Hochschule Luzern bei Prof. Clemens Thoma eingereicht worden ist.

Martin Cunz wollte keine Biographie über Nachman schreiben, denn das haben Arthur Green, Arye Kaplan u. a. schon vor ihm getan. Er beschreibt hauptsächlich Rabbi Nachmans Israelreise. Rabbi Nachman lebte von 1772-1798 südlich von Kiew, vornehmlich in Medvedevka am Dnjepr. Schon bei seiner Geburt war er ,gewissermaßen kein Unbekannter‘ (14), da er ein Urenkel des Baal Schem Tov war (vgl. S. 212-214 i. d. H.), also in einer chassidischen Tradition geboren. Am Vorabend des Pesachfestes 5558 (30. März 1798) teilte der Rabbi seinen Schülern mit, daß er noch im gleichen Jahr nach Israel reisen will. Seine Frau hört es auch und schickt die Tochter Sara zum Vater, um zu fragen, wer für die Mutter und die (vielen) Kinder sorgen wird. Der Vater hat schon eine Lösung: Die achtjährige Tochter Sara, die er kurz zuvor verlobt hat, geht zu ihrem Schwiegervater, die ältere Tochter Odel soll sich als Kindermädchen verdingen, die jüngere Schwester Miryam wird von einer barmherzigen Familie aufgenommen und die Mutter wird eine Stelle als Köchin (jiddisch: kekherin) finden. Nachman geht aber nicht direkt auf Reise, denn seine Schüler müssen noch Geld sammeln, damit er reisen kann. Warum Nachman nach Israel reisen will, bleibt seinen Schülern und Freunden verborgen, denn eigentlich will er mit seiner Reise nach Israel das Kommen des Messias erproben und herbeiführen. Durch die Preisgabe seines Geheimnisses würde das Kommen des Messias verzögert statt beschleunigt. Noch eine Angst hat Nachman: würde er den Grund seiner Reise mitteilen, würde er vielleicht selber als Messias betrachtet. Er kannte die Probleme der Sabbatianer und der Frankisten, und diese wollte er vermeiden. Es gab aber noch andere Gründe, die er zum Teil selbst preisgab. Er wollte tun, was sein Urgroßvater, der Baal Schem Tov, nicht tun konnte, bzw. nicht vollendet hatte. Er wollte auch alle 613 Gebote erfüllen, auch jene, die man nur in Israel erfüllen kann. Er hoffte, nach seiner Reise noch besser lehren zu können. Er wollte auch die Tiefen der Gottheit ergründen (yichudim) und sich in die Einsamkeit der Kontemplation (hitbodeduth) zurückziehen. Aber das wirkliche, geheime Ziel seiner Reise war, die Ankunft des Messias zu ,er-zwingen‘.

Nach vielen Abenteuern erreicht er Israel. Nachdem er in Haifa an Land gegangen und vier Ellen gelaufen ist, will er das Land Israel wieder verlassen. Nur mit Mühe kann man ihn zurückhalten. In Safed und Tiberias besucht er die Gräber der Weisen und feiert auch noch die Verlobung seiner Tochter, obwohl sie nicht dabei ist. Nach seiner Reise kehrt er angeschlagen, aber glücklich nach Medvedevka zurück und hält vier Vorträge, die Cunz auch eindrücklich kommentiert.

Es ist ein bezauberndes Buch. Cunz versteht es, den Leser selbst den harten Holzboden des türkischen Kriegsschiffes, auf dem Nachman schlafen muß, fühlen zu lassen. Leider fehlt zur Skizze gegenüber S. 26 der entsprechende Maßstab, so daß man nicht weiß, wie ausgedehnt Nachmans Reisen um Medvedevka sind. Weiters tut man gut daran, nach der Einleitung erst die Reisegeschichte (238-351) zu lesen, um den Kommentar besser zu verstehen. Das Buch ist vor allem für die moderne Erforschung des chassidisch-mystischen Judentums von großer Bedeutsamkeit.

Go Verburg


Jahrgang 7/2000 Seite 209



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