Freiburger Rundbrief Freiburger Rundbrief
    Archiv Neue Folge > 2000 > 831  

Home
Leseproben

Inhalt Neue Folge
Archiv Neue Folge
1993/94
1995
1996
1997
1998
1999
2000

Inhalt der Jg. vor 1993
Archiv vor 1993

Gertrud Luckner
Bestellung/Bezahlung
Links
Mitteilungen
 
XML RSS feed
 
 
Display PRINT friendly version

Berichte Heft 3 Jg 7/2000

Holocaust-Konferenz in Stockholm

In Stockholm tagte vom 26-28. Januar 2000 eine internationale Holocaust-Konferenz, an der neben 22 Staats- und Regierungschefs auch Wissenschaftler und Überlebende der Schoa teilnahmen. Die Konferenz war auf Initiative des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson konzipiert und mit Unterstützung von Präsident Clinton und Premierminister Blair vorbereitet worden. In seiner Abschlußrede betonte Persson, daß es in der Konferenz in erster Linie um Werte gegangen sei. Die Beschäftigung mit der Schoa — vor allem in der Erziehung — sei kein jüdisches Anliegen mehr, sondern ein humanistisches der zivilisierten Welt. Wissenschaftlicher Berater der Konferenz war Professor Jehuda Bauer, Leiter der Gedenkstätte Yad Vashem. Die Tagung endete mit folgender Schlußresolution:

Wir, die Repräsentanten unserer Regierungen in Stockholm erklären:

1) Der Holocaust (Schoa) stellte die Fundamente der Zivilisation tiefgreifend in Frage. Der präzedenzlose Charakter der Schoa wird für immer universale Bedeutung haben. Nach über 50 Jahren leben noch genug Zeugen des Verbrechens am jüdischen Volk. Die furchtbaren Leiden vieler Millionen anderer Opfer des Nazi-Terrors hat eine Wunde hinterlassen, die Europa noch immer prägt.

2) Die Schwere des von den Nazis geplanten und ausgeführten Völkermordes muß für immer in unserem kollektiven Gedächtnis sein. Ebenso wie die Opfer derjenigen, die den Nazis trotzten und oft auch mit ihrem Leben bezahlten, um Opfer zu retten oder zu beschützen. Die Tiefe jenes Schreckens und die Größe des Heroismus können Meilensteine sein in unserem Verständnis für die menschliche Kapazität von Gut und Böse.

3) Die Menschheit, die noch immer unter Genozid, ethnischen Säuberungen, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhaß zu leiden hat, hat die heilige Pflicht, diese Übel zu bekämpfen. Gemeinsam müssen wir die furchtbare Wahrheit der Schoa jenen entgegenhalten, die sie leugnen. Wir müssen die moralische Verpflichtung unserer Völker und die politische Verpflichtung unserer Regierungen stärken, um sicher zu gehen, daß künftige Generationen die Ursachen der Schoa verstehen und sich über ihre Konsequenzen im Klaren sind.

4) Wir fordern dazu auf, die Anstrengungen in Sachen Erziehung, Erinnerung und Forschung an und über die Schoa zu verstärken, sowohl in den Ländern, die das bisher schon getan haben, als auch in denen, die hier neu dazukommen möchten.

5) Wir teilen die Verpflichtung, die Schoa in allen ihren Dimensionen wissenschaftlich auszuarbeiten. Wir werden Erziehungsprojekte in unseren Schulen und Universitäten, in unseren Gemeinden und in anderen Institutionen zum Thema unterstützen.

6) Wir teilen die Verpflichtung, die Opfer der Schoa im Gedächtnis zu behalten, und diejenigen zu ehren, die gegen die Barbarei kämpften. Wir unterstützen die angemessene Erinnerung, inklusive einen jährlichen „Schoa-Gedenktag“ in unseren Ländern.

7) Wir teilen die Verpflichtung, Licht in die noch immer dunkle Seite der Schoa zu bringen. Wir werden alle nötigen Schritte tun, um die Öffnung weiterer Archive zu ermöglichen, um sicherzustellen, daß alle relevanten Dokumente, die diese Zeit betreffen, für Forscherinnen und Forscher zugänglich sein werden.

8) Es ist angemessen, daß diese erste internationale Konferenz im neuen Jahrtausend ihre Verpflichtung erklärt, sich für eine bessere Zukunft auf dem Boden einer bitteren Vergangenheit einzusetzen. Wir erklären unsere Sympathien mit den Opfern von damals und wollen uns durch ihren Kampf inspirieren lassen. Unser Anliegen muß es sein, die Opfer zu würdigen, die Überlebenden zu respektieren und den Anspruch der Menschheit zu unterstützen, gegenseitiges Verständnis und Gerechtigkeit aufzubauen.


Grundlagenabkommen zwischen dem HL Stuhl und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO

Die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO und der Vatikan haben am 15. Februar 2000 im Vatikan ein Abkommen über den rechtlichen Status und die Arbeit der katholischen Kirche in den autonomen Palästinensergebieten unterzeichnet. Eine Beschwerde des israelischen Außenministeriums, das Abkommen behandle in der Präambel Themen, die Teil der Verhandlungen über einen Endstatusvertrag zwischen Israel und den Palästinensern sind, hatte im Vorfeld des Papstbesuches vorübergehend zu Unstimmigkeiten zwischen Israel und dem Vatikan geführt.

Das Abkommen ist in zwölf Grundsatzartikeln festgelegt. Wir bringen den Wortlaut der Artikel 1-3, die sich mit den Grundsätzen der Menschenrechte, mit Glaubensfreiheit und Dialog befassen. Die Artikel 4-7 behandeln die Rechte der katholischen Kirche, Artikel 8-12 die Rechtswirksamkeit des Abkommens.

Präambel

Der Hl. Stuhl als souveräne Autorität der katholischen Kirche und die Palästinensische Befreiungsorganisation (im folgenden: PLO) als Vertreter des Palästinensischen Volkes, die zugunsten und im Namen der Palästinenser-Autorität handelt, erklären:

• Im klaren Bewußtsein um die besondere Bedeutung des Heiligen Landes, das unter anderem eine bevorzugte Stätte für den interreligiösen Dialog zwischen den Anhängern der drei monotheistischen Religionen ist;

• in Anbetracht der Geschichte und Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und dem Palästinensischen Volk, einschließlich der Arbeitskontakte, die zur Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der PLO am 26. Oktober 1994 führten;

• in Erinnerung und Bestätigung der Einsetzung der Ständigen Bilateralen Arbeitskommission zur Bestimmung, Untersuchung und Erörterung von Fragen allgemeinen Interesses, die beide Parteien betreffen;

• unter Bestätigung der Notwendigkeit zur Erreichung eines gerechten und umfassenden Friedens im Nahen Osten, so daß alle dortigen Nationen in einem Verhältnis guter Nachbarschaft leben und im Hinblick auf Entwicklung, und Wohlstand für die gesamte Region und alle ihre Einwohner zusammenarbeiten;

• mit der Forderung nach einer friedlichen Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts, worin die unveräußerlichen, legitimen nationalen Rechte und Erwartungen des Palästinensischen Volkes anerkannt werden;

• diese Lösung ist durch Verhandlungen und Übereinkommen zu erzielen, damit — auf der Grundlage des internationalen Rechts, der entsprechenden Beschlüsse der Vereinten Nationen und ihres Sicherheitsrats — Gerechtigkeit und Billigkeit, Frieden und Sicherheit für alle Völker der Region gewährleistet werden.

Weiterhin wird erklärt, daß eine gerechte Lösung zur Jerusalem-Frage auf der Grundlage internationaler Beschlüsse für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten wesentlich ist; einseitige Entscheidungen und Aktionen, die den besonderen Charakter und Status von Jerusalem ändern, sind moralisch und rechtlich inakzeptabel.

Die beiden Parteien fordern daher ein international garantiertes Sonderstatut für Jerusalem, worin folgende Bereiche abgesichert werden sollen:

a) Religions- und Gewissensfreiheit für alle;
b) Gleichheit vor dem Gesetz der drei monotheistischen Religionen und ihrer Einrichtungen und Gläubigen in der Stadt;
c) die besondere Identität und der heilige Charakter der Stadt mit ihrem universalen religiösen und kulturellen Erbe;
d) die Heiligen Stätten, freier Zugang dazu und freie Religionsausübung darin;
e) das bestehende System des „Status quo“ an jenen Heiligen Stätten, wo er anzuwenden ist.

Artikel 1

Paragraph 1
Die PLO bestätigt ihre ständige Verpflichtung zur Wahrung und Achtung des Menschenrechts auf Religions- und Gewissensfreiheit, wie es sich in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in anderen internationalen Dokumenten zur Anwendung jener Erklärung findet.

Paragraph 2
Der Hl. Stuhl bestätigt die Verpflichtung der katholischen Kirche zur Unterstützung dieses Rechts, und er bestätigt erneut die Achtung, die die katholische Kirche den Anhängern anderer Religionen entgegenbringt.

Artikel 2

Paragraph 1
Die beiden Parteien verpflichten sich zu einer angemessenen Zusammenarbeit im Hinblick auf eine Förderung der Achtung der — individuellen und kollektiven — Menschenrechte, auf den Kampf gegen jede Form von Diskriminierung und gegen alle Gefährdungen des Lebens und der Würde des Menschen; außerdem verpflichten sie sich zur Förderung des Verständnisses und der Eintracht zwischen den Nationen und Gemeinschaften.

Paragraph 2
Die beiden Parteien werden auch in Zukunft zum interreligiösen Dialog ermutigen — zur Förderung eines besseren Verständnisses zwischen Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit.

Artikel 3

Die PLO wird im Palästinensischen Recht die Gleichheit der bürgerlichen und Menschenrechte aller Bürger wahren und schützen; dies bezieht sich unter anderem und insbesondere auf die Freiheit von jeder Diskriminierung — auf individueller und kollektiver Ebene — aufgrund von Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung.


Jahrgang 7/2000 Seite 230



top