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Gertrud Luckner
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3. „Pro perfidis Judaeis“

Eine Entscheidung der römischen Ritenkongregation 1948Seit alters betet die römische Kirche in einem ihrer feierlichsten und eindrucksvollsten Gottesdienste am Karfreitag ‚pro perfidis Judaeis’.‚Für die treulosen Juden’ wurde das bis vor kurzem allgemein übersetzt: und es bestand zweifellos die Gefahr, dass dadurch bei nicht wenigen Kirchenbesuchern die Meinung sich festsetzte, die katholische Überlieferung betrachte als eine Art konstante jüdische Eigenschaft die ‚Treulosigkeit’, die Perfidie.    

Neuere Forschungen haben dann aber ergeben, dass damit das lateinische perfidia im Zusammenhang dieser Fürbitte ganz entschieden missverstanden worden war. Schon 1915 hat F. Vernet unter dem Stichwort ‚Juifs et Chrétiens’ (Dict AFC II, 1733 ff.), 1936 dann mit weiterem Beweismaterial aus der Väterzeit E. Petersen (Ephemerides Liturgicae, Vatic.) unwiderleglich erhärtet, dass perfidia in den ersten Jahrhunderten, als unsere Liturgie entstand, nicht immer ‚Treulosigkeit’ im Sinne von vertragsbrüchiger Gesinnung bedeutete, vielmehr in manchen Zusammenhängen und so auch bei der Karfreitagsfürbitte ‚Glaubenslosigkeit’, genauer: ‚Glaubensverweigerung’. Schon 1938, mitten im Dritten Reich, wagten daraufhin die Beuroner Benediktiner in Schotts Messbuch ‚pro perfidis Judaeis’ neu zu übersetzen: ‚für die ungläubigen Juden’. Aber das war zunächst ein vereinzelter kühner Vorstoß; anderwärts blieb die falsche Übersetzung unverändert stehen. 

Nun jedoch hat Rom selbst in dieser Frage eine Entscheidung getroffen, die sich den mancherlei Schritten ebenbürtig anreiht, mit denen Papst Pius XII. allen Menschen guten Willens zu zeigen bemüht ist, dass die dogmatische Kompromisslosigkeit der Kirche sie nicht davon abhält, auch den Andersdenkenden Respekt zu bezeugen und, wo immer möglich, mit ihnen für das gemeinsame Wohl der Menschheit zusammenzuwirken. Die Ritenkongregation hat nämlich eine Erklärung abgegeben, welche mit folgendem Wortlaut in den Acta Apostolica Sedis, Nr. 8/9 von August/September 1948 (S. 342), veröffentlicht ist:

In bina illa praecatione qua Sancta Mater Ecclesia in orationibus sollemnibus feriae sextae in Parasceve etiam pro populo hebreico Dei misericordiam implorat, haec verba occurrunt: „perfidi iudaei” et „iudaica perfidia”. Porro quaesitum est de verbo sensu istius locutionis latinae, praesertim cum in variis translationibus, ad usum fidelium in linguas vulgares factis, illa verba expressa fuerint locutionibus quae auribus istius populi offensivae videantur.

Sacra haec congregatio, de re interrogata, haec tantum declarare censuit: Non improbari, in translationibus in linguas vulgares, locutiones quarum sensus sit: ‚infidelitas, infideles in credendo’”.

Romae, die 10 Iunii 1948+

C. Card. Micara, Episc. Voliternus, Praefectus+
A. Carinci, Archiep. Seleuc. Secretarius

Diese amtliche Erklärung der Ritenkongregation, abgedruckt u. a. in der Löwener „Nouvelle Revue Théologique“ vom Dezember 1948, Bd. 70, S. 1089, ist zweifach bedeutsam, einmal als Entscheidung über den Einzelfall und dann auch prinzipiell.

Zunächst wird jeder, der die verantwortungsbewusste Behutsamkeit der römischen Kongregation gegenüber aller Art von Neuerung kennt, sich über eines klar sein: Diese ausdrückliche Genehmigung, perfidus mit „ungläubig“, perfidia mit „Unglaube“ oder, um den Nuanceunterschied zwischen infidelitas und perfidia herauszubringen, mit „Glaubensverweigerung“ zu übersetzen, wäre nie gegeben worden, wenn sich die Kongregation nicht in sorgfältigem Studium davon überzeugt hätte, dass diese Übersetzung den gemeinten Sinn wirklich trifft. Die aus Cyprian, Hieronymus, Ambrosius, Leo und Gregor dem Großen, nicht zuletzt auch aus dem Sacramentarium Leoninum als liturgischer Quelle beigebrachten Belegstellen über die häufige Verwendung von perfidus, wo dem Zusammenhang nach nur von „ungläubig“, nicht von „treulos“ die Rede ist, zuletzt nochmals zusammengetragen in „Pro perfidis Judaeis“ von Johannes Oesterreicher (Cahiers Sioniens I, 2 vom 1. Okt. 1947, S. 85 ff.), liefern aber in der Tat einen derart zwingenden Beweis, dass darüber die Akten geschlossen werden können.

Noch wichtiger aber als diese Regelung des Einzelfalls ist die grundsätzliche Bedeutung, die der Erklärung vom 10. Juni 1948 zukommt. Es ist ja sonst nicht eben üblich, dass Rom zu einer dogmatisch unerheblichen Übersetzungsfrage im Messbuch ausdrücklich Stellung nimmt. Wenn hier eine Ausnahme gemacht wird, dann haben wir zu fragen, warum. Und wir erhalten die Antwort, dass die bisher üblich gewesenen Übersetzungen von perfidi Judaei „den Ohren dieses Volkes verletzend klingen“. Darum also wird die neue, richtige Übersetzung ausdrücklich autorisiert.  

Kann Rom uns einen deutlicheren Wink geben als diesen, dass wir bei all unserem Reden, vollends aber bei unserem „religiösen“ Reden über die Juden darauf achten sollen, dass wir sie nicht ohne Not oder gar – wie durch die frühere Fehlübersetzung – der Wahrheit zuwider verletzen?

Wenn wir dereinst über jedes Wort unseres Mundes Rechenschaft ablegen müssen, wer möchte dann trotz solcher Warnung von dem ewigen Richter hören: Du hast durch dein leichtfertiges Reden einen meiner Brüder nach dem Fleische von mir zurückgestoßen? (Und „was ihr getan habt einem Meiner geringsten Brüder, das habt ihr Mir getan“.) 

In diesem Sinne betrachten wir die Erklärung der Römischen Riten-Kongregation als eine äußerst wertvolle Ermutigung unserer Freundschaftsarbeit. Wir hoffen, dass sie auch in breiteren Kreisen sowohl des Klerus wie der Laien so verstanden werden wird. Wir wünschen, dass von Jahr zu Jahr in der Behandlung der Passionsgeschichte immer mehr vom Geiste dieser Erklärung zu verspüren sein möge; und wir sind im Begriff, die Erfüllung dieses Wunsches durch entsprechende Publikationen zu erleichtern, die ein theologisch unanfechtbares und eben darum nirgends unnötig verletzendes Reden von den Juden verbreiten helfen sollen.

Dies aber ist eine der unerlässlichen Vorbedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn wir nicht selbst durch Wort und Tat hintanhalten wollen, was wir am Karfreitag, dieses Jahr nun hoffentlich zum ersten Mal überall in unseren Kirchen mit dem richtig übersetzten Wortlaut, in unerschütterlicher Erhörungsgewissheit erflehen, indem wir mitsprechen:

Lasst uns auch beten für die ungläubigen Juden: Gott, unser Herr, möge die Hülle von ihrem Herzen hinwegnehmen, damit auch sie unseren Herrn Jesus Christus erkennen.

Allmächtiger ewiger Gott, der du selbst die Glaubensverweigerung der Juden von deinem Erbarmen nicht ausschließest, erhöre unsere Gebete, die wir für jenes Volkes Verblendung vor dich bringen, damit sie das Licht deiner Wahrheit erkennen, welche Christus ist, und so ihren Finsternissen entrissen werden durch eben diesen unseren Herrn. Amen.


FrRu I. Folge,  Nr. 2/3, März 1949, S. 5–7.



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